Wolfsflüstern (German Edition)
Sorgen wären?
»Kannst du stehen?« Teos Stimme lenkte ihren Blick wieder nach oben. Sie musste sich auf ihn konzentrieren – und nicht auf …
»Ja.« Gina stand auf. »Mir fehlt nichts.«
»Warum bist du weggelaufen?«, fragte er, dann senkte er die Stimme. »Und wieso ausgerechnet hierher?«
Sie würde nicht zugeben, dass der Wind ihren Namen gerufen hatte. Teo würde sie hier rausziehen und in die nächste Klapsmühle verfrachten. Nicht, dass sie dort nicht hingehörte, aber wenn sie schon ginge, dann aus eigenem Entschluss.
»Gina?«
»Du hast mich nach meinen Eltern gefragt.«
»Wirklich?«
Das Erstaunen in seiner Stimme war ulkig. Gina konnte sein Gesicht vor dem plötzlich helleren Himmel gerade so erkennen. Der Regen hatte beträchtlich nachgelassen; die ersten Sterne funkelten.
»Du wolltest wissen, was hier passiert ist.«
Begreifen huschte über seine Züge, direkt gefolgt von Bedauern. »Der Unfall …«, begann er, dann machte er eine Pause. »Wenn du es mir nicht erzählen willst, ist das in Ordnung.«
Gina wischte ihre nassen Hände an ihrer nassen Jeans ab, dann schnappte sie nach Luft, denn ihre Haut brannte wie Feuer. Sie hatte sich die Handflächen aufgeschürft – entweder bei ihrem Sturz dort oben oder als sie in dieses Loch gefallen war.
»Was stimmt nicht?« Teos Stimme, die so sanft und ruhig gewesen war, klang leicht panisch.
»Nichts«, versicherte sie rasch, dann spähte sie in den finsteren Schlund hinter ihr.
Alles .
»Vielleicht sollte ich ein Seil holen«, schlug er vor.
»Nein!« Allein bei dem Gedanken, hier allein zurückgelassen zu werden, glaubte sie, die Zähne dieses Schlunds nach ihren Füßen schnappen zu hören.
Teo würde letzten Endes ein Seil holen müssen, aber wenn er es jetzt tat, würde sie wahrscheinlich weinen. Und wenn sie damit erst mal anfinge, wie sollte sie jemals wieder aufhören?
Obwohl sie es vorgezogen hatte, davonzulaufen, anstatt Teo die Geschichte des Ortes zu erzählen, holte Gina nun tief Luft und ließ sie zusammen mit einem Wortschwall wieder entweichen.
»Isaac hatte uns verboten, hierherzukommen. Er sagte, dass am Ende des Einsamen Wildwechsels der Tod lauere. Dass jeder, der sich an diesen Ort begeben hat, gestorben sei.«
»Jeder?« Teo klang so skeptisch, wie sie sich damals gefühlt hatte.
»Isaac zufolge, ja. Natürlich hat er mit seiner Warnung nur erreicht, dass ich umso dringender hierherkommen wollte.«
»Natürlich«, wiederholte Teo in einem Tonfall, der ausdrückte: Wer würde das nicht?
Gina lächelte in die Dunkelheit. »Ich habe Jase so lange schikaniert, bis er mitkam.«
»McCord wirkt auf mich nicht wie ein Typ, der sich von irgendjemandem schikanieren lässt.«
»Nenn ihn bei Gelegenheit mal einen Schlappschwanz, dann siehst du schon, was dabei rauskommt.«
»Eine gebrochene Nase«, mutmaßte Teo.
»In deinem Fall, ja. Bei mir …« Gina zuckte die Achseln. »Ich musste ihn Monate, tatsächlich fast ein Jahr lang, unaufhörlich piesacken. Der einzige Grund, warum er überhaupt mitkam, war der, dass ich drohte, allein zu gehen.«
»Woher kam deine Obsession?«
»Gute Frage.« Und eine, auf die Gina keine Antwort hatte. Sie wusste nur, dass dies der einzige ihr verbotene Ort gewesen war und sie nicht hatte widerstehen können, ihn zu erkunden.
»Was ist dann passiert?«
»Wir kamen über den Hügel und …« Sie brach ab, als ihr genau wie damals der Atem stockte. Der Ausblick, der sich ihr geboten hatte, war derart unwiderstehlich gewesen, dass sie mit dem Eifer eines Kindes beim Topfschlagen nach ihrer Kamera gegrapscht hatte. »Ich habe das verdammte Foto geschossen, als die Sonne unterging.«
Obwohl Jase hatte umkehren wollen – sie hatten das Ende des Wildwechsels gefunden; jetzt konnten sie heimgehen –, war Gina völlig gebannt gewesen von diesem Baum, der in Flammen zu stehen schien.
»Als wir uns ihm näherten, war die Sonne bereits am Horizont verschwunden, und der Mond ging auf.« Gina hatte sich damals vorgenommen gehabt, an exakt die Stelle zurückzukehren, wo sie das Sonnenuntergangsfoto geschossen hatte, und noch eines von der mondbeschienenen Landschaft zu machen, doch bis dahin war ihre Kamera längst zu Schrott geworden.
Sie hob das Gesicht, und ein paar letzte Regentropfen fielen auf ihre Wangen. »Die Pferde warfen uns etwa an der gleichen Stelle ab, wo unsere es heute getan haben. Nur hielten sie nicht an, so wie Spike und Lady Belle, sondern sie rannten weiter. Jase und ich
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