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Wolfsflüstern (German Edition)

Wolfsflüstern (German Edition)

Titel: Wolfsflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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erkundeten das Terrain, um herauszufinden, was daran so bedrohlich sein sollte. Wie war es möglich, dass hier Menschen starben? Das Gelände war flach. Wir konnten keine Gefahr für Leib und Leben entdecken. Es sei denn, jemand kletterte auf diesen Baum und fiel auf den Kopf.«
    Gina verstummte für mehrere Sekunden, während sie sich bereit machte, ihm von dem sie seither verfolgenden Albtraum zu berichten, der hier seinen Anfang genommen hatte. »Der Untergrund gab nach, und Unmengen von Erde stürzten auf uns herab, als die Wände einbrachen.« Sie musste schlucken, als sie sich daran erinnerte, wie der Dreck ihre Kehle gefüllt und sie gezwungen hatte, die Augen zu schließen.
    »Wie habt ihr überlebt?«
    »Es muss einen Lufteinschluss gegeben haben.«
    »Ungewöhnlich.«
    »Ich habe keine andere Erklärung.« Sie hatte für viele Dinge keine Erklärung.
    »Die Luft hätte nicht ewig gereicht.«
    »Nein.« Gina dachte an ihre Panik zurück, an die Dunkelheit, an das Gefühl, dass noch etwas anderes hier unten lauerte, etwas, das mehr als entzückt über ihren Besuch war. »Aber jedes Mal, wenn einer von uns sich bewegte, brachte er damit auch die Erde in Bewegung, und wir hatten Angst, die Situation noch zu verschlimmern. Wir versuchten, zu reden, aber das kostete zu viel Sauerstoff.« Und bewirkte, dass ihnen noch mehr Erde in die Münder drang.
    »Was habt ihr getan?«
    Sie hatten sich an den Händen gehalten und auf den Tod gewartet.
    »Die Pferde sind nach Hause gelaufen«, platzte sie heraus.
    »Das ist ein ziemlich langer Weg.«
    »Man hatte uns bereits vermisst. Meine Eltern waren fast schon hier, als sie an ihnen vorbeisprengten.«
    Teo saugte zischend Luft zwischen seine Zähne. Er ahnte, was jetzt kommen würde. Gina sagte es trotzdem.
    »Sie versuchten, sich seitlich zu uns vorzuarbeiten, damit nicht noch mehr Erdreich nachrutschte. Doch dann …« Die Worte blieben ihr in der Kehle stecken, genau wie es damals der Morast getan hatte.
    »Wurden sie verschüttet«, vollendete Teo.
    »Es war, als ob …« Gina hielt inne, unsicher, wie sie es formulieren sollte, ohne verrückt zu klingen. Also sagte sie nur den ersten Teil und behielt den zweiten für sich. »Die Erde rutschte nach, begrub sie unter sich, und dadurch wurden wir befreit.«
    Als hätte sie – oder etwas anderes – entschieden, wer leben und wer sterben sollte.
    Ene. Mene.
    Muh .
    »Ich nehme an, so etwas könnte passieren.« Teo klang skeptisch.
    »Es ist passiert«, sagte Gina in flachem Tonfall. »Wir gruben nach ihnen, aber wir fanden sie nicht. Als Isaac schließlich eintraf, war es zu spät.«
    »Was meinst du damit, ihr fandet sie nicht?«
    »Wir haben überall gesucht, aber von ihren Leichen fehlte jede Spur.«
    »Das ist …« Er verstummte. Offensichtlich war es nicht ausgeschlossen, andernfalls hätte man die Leichen geborgen. »Seltsam«, fuhr er fort. »Habt ihr Bagger zum Einsatz gebracht? Fachkräfte hinzugezogen?«
    »Der Boden stürzte immer weiter ein. Ein Geologe tippte auf unterirdische Katakomben. Jede Erdbewegung bewirkte, dass die Leichen durch die nächste Schicht hindurchbrachen und immer weiter absackten. So wurden sie immer unerreichbarer, je tiefer wir gruben.«
    Sie hatte jahrelang Albträume gehabt, in denen sie die Hand nach ihrer Mutter ausstreckte, doch jedes Mal brach die Erde unter Betsys Füßen weg, eine Sekunde bevor Gina sie erreichen konnte, und das Echo ihres Schreis wurde dünner und dünner, je tiefer sie stürzte.
    »Nicht lange nachdem sie uns herausgeholt hatten, ließ Isaac das Loch zuschütten.«
    »Aber wenn da Katakomben wären«, gab Teo zu bedenken, »würde sich der Krater irgendwann von Neuem auftun.«
    »Was du nicht sagst.«
    Schweigen trat ein. Der Himmel hatte sich aufgeklart, und der Mond blinzelte gerade so über den Rand des Lochs.
    »Ich verstehe jetzt, warum du mich nicht hierherlassen wolltest«, meinte Teo. »Trotzdem muss ich es mir ansehen.«
    Fast hätte Gina ihm alles anvertraut – was sie gehört und was sie gefühlt hatte –, doch sie musste ihn unbedingt davon überzeugen, es sich nicht anzusehen. Indem sie ihm alles erzählte, würde sie sein Interesse nur weiter anstacheln.
    »Es ist gefährlich hier«, sagte sie stattdessen.
    »Ich habe so etwas schon früher gemacht, genau wie die Leute, die mir dabei helfen werden. Die Maschinen und Werkzeuge, die wir einsetzen, sind für solche Situationen gedacht. Es wird schon gelingen. Du wirst sehen. Vielleicht finden

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