Wolfsflüstern (German Edition)
zurück, legte die Hände hinter den Kopf und lauschte, wie Gina sich im Zelt bewegte. Wie so oft drifteten seine Gedanken ab, und er erinnerte sich daran, was er sie vor ihrem unerwarteten Kuss gefragt hatte.
»Was ist passiert?«, wiederholte er. »Unter diesem Baum. Du kannst es mir erzählen.«
Das Rascheln hörte auf. Die Zeltplane flappte. Gina verschwand nach draußen; der Geruch von Regen strömte herein.
Matt brauchte mehrere Minuten, um zu begreifen, dass sie nicht zurückkommen würde.
13
Ein lautes Krachen donnerte direkt über ihr, dann brachen die Wolken auf, und Blitze zuckten über den Himmel. Gina erhaschte einen Blick auf die Pferde, die, die Hinterteile gegen den Wind gerichtet, mit gesenkten Köpfen, aber relativ ruhig warteten, als gleich darauf ihre Umgebung wieder stockfinster wurde und sie zu rennen begann.
Du kannst es mir erzählen . Mit anderen Worten … du kannst mir vertrauen .
Doch das konnte sie nicht. Mateo Mecate war nur hinter einem her, und das war nicht sie. War es nie gewesen.
Zugegeben, sie hatte die Initiative ergriffen und ihn geküsst. Sie hatte vergessen wollen, und das war ihr auch gelungen.
Bis er sie erinnert hatte. Und jetzt konnte sie an nichts anderes mehr denken als an die Zeit, die sie unter der Erde gelegen hatte.
Der Wind peitschte ihr die Haare ins Gesicht, dabei sang er ihren Namen.
Giiii-naaaa!
»Mist, Mist, Mist!«, fluchte sie. Irgendwann musste sie herausfinden, warum sie das immer wieder hörte, oder sich selbst irgendwo einweisen, wo sie es nicht mehr hören würde.
Als der Himmel plötzlich so hell erstrahlte wie ein Jahrmarkt, stoppte Gina derart abrupt, dass sie ein gutes Stück durch den Morast schlitterte und mit den Armen rudern musste, um nicht auf dem Hintern zu landen. Sie schaffte es nur mit knapper Not.
Einerseits schien sie nicht darüber reden zu wollen, was sich am Ende des Einsamen Wildwechsels verbarg, andererseits war sie offenbar ziemlich versessen darauf, am Ende des Einsamen Wildwechsels zu sein. Denn sie war fast dort.
Und der Wind rief noch immer ihren Namen.
Giiii-naaa!
»Fick dich«, murmelte sie, lief aber trotzdem weiter.
Sie fühlte keine Veränderung unter ihren Füßen, als sie sich der Stelle näherte. Aber sie war schließlich kein Pferd.
Die Nacht war furchtbar dunkel. Genau wie damals. Es hatte zwar nicht geregnet, aber der Mond war von Wolken verdeckt gewesen.
Die undurchdringliche Finsternis, die sie einhüllte, verlieh ihr das Gefühl, als schwebte sie im Weltraum, wo es keine Schwerkraft gab, wo oben unten sein konnte und umgekehrt. Die erschreckenden Lichtblitze gaben der kargen glitzernden Landschaft das Aussehen einer Mondoberfläche.
Der Himmel flammte wieder auf, und Gina schrak zusammen, als Teos verfluchter Baum des Lebens – ihr Vorbote des Todes – plötzlich vor ihr aufragte. Wäre sie weitergelaufen, wäre sie frontal mit ihm zusammengeprallt.
Sie glitt aus, und diesmal half kein Mit-den-Armen-Rudern, um sie vor einem Sturz zu bewahren. Allerdings verhinderte die Bewegung, dass sie auf dem Gesäß landete. Stattdessen landete sie auf dem Gesicht. Fast.
Trotz ihrer Desorientierung brachte sie die Arme nach oben und konnte ihren Sturz dadurch abbremsen. Dafür knallte sie mit dem Kopf auf den Boden, allerdings riss sie ihn noch rechtzeitig herum, sodass sie, anstatt sich die Nase zu brechen, fühlte, wie ihre Schläfe mit einem dumpfen schmatzenden Geräusch aufschlug.
Gina blieb liegen und wartete, dass sich ihr Puls normalisierte. Es machte nichts, dass sie im Schlamm kauerte, das Wasser wie ein reißender Gebirgsbach über den flachen Untergrund strömte und ihren Körper umflutete. Sie war sowieso klatschnass.
Aber ihr Puls verlangsamte sich nicht, auch wenn ihre Atmung das tat. Ihr fehlte nichts. Sie war nicht verletzt. Ihr Herz sollte nicht so schnell und laut schlagen, dass die Erde von der Wucht zu beben schien.
Gina rollte sich auf die Seite und presste die Handfläche auf ihre Brust.
Ba-bum. Ba-bum . Normaler Rhythmus.
Sie legte die Hand auf den Boden.
Ba-bum-ba-bum-ba-bum.
Sie riss sie weg. Die Erde schien zu beben, weil sie bebte. Zumindest pochte sie im Gleichklang mit einem sehr ungestümen Herzschlag.
Kein Wunder, dass die Pferde durchdrehten, wenn sie an diesen Ort kamen. Die Vibration verursachte ihr Zahnschmerzen, und Pferde hatten wesentlich mehr Zähne.
Gina setzte sich auf, zog die Beine an und schlang die Arme um die Knie, dann berührte sie wieder den
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