Wolfsflüstern (German Edition)
»Erfreut, Sie kennenzulernen.«
Jase blinzelte. Weil die Begrüßungsworte nicht zu dem stetigen herausfordernden Blick passten – oder weil die distinguierte Formulierung so seltsam klang in Verbindung mit dieser schroffen Clint-Eastwood-Stimme?
Gina machte einen Schritt nach vorn. Warum, wusste sie selbst nicht. Wollte sie gewaltsam Jases Arm heben und ihn zwingen, Teo die Hand zu schütteln?
Endlich entsann sich Jase seiner Manieren, nahm die dargebotene Hand und schüttelte sie einmal kurz. Nach Teos unterdrücktem Ächzen zu schließen reichte dieses eine Mal.
Männer .
»Ich werde ihm rasch sein Zimmer zeigen«, verkündete Gina. »Anschließend …«
»Nein.« Sie schaute zu Jase. Er starrte Teo noch immer an. » Ich werde ihm sein Zimmer zeigen.« Er nickte in Richtung Hausfront, wo Gina die anderen Gäste umherschlendern und plaudern hörte. »Du kümmerst dich um sie.« Damit verschwand er im Flur.
Gina lächelte Teo entschuldigend an. »Einer von den anderen muss wohl …« Sie brach ab, weil sie nicht bei einem zahlenden Kunden über einen anderen lästern wollte.
»Eine schreckliche Nervensäge sein?«, offerierte Teo, und Gina lachte.
»Ja. Die überlässt Jase gern mir.«
»He, Kumpel!«, ertönte Jases Stimme aus dem Flur.
Welche Laus war ihm wirklich über die Leber gelaufen?
»Ich sollte jetzt lieber gehen.«
»Sobald alle ihre Zimmer bezogen haben«, sagte Gina, »treffen wir uns am Stall, dann bekommen Sie ein Pferd, das Ihren Fähigkeiten als Reiter entspricht.«
Teo neigte den Kopf zu einer Miniverbeugung. »Ich kann es kaum erwarten.«
Gina sah ihm nach. Sie konnte nicht anders – der Anblick war zu unwiderstehlich. Trotzdem machte etwas an dem Mann sie nervös.
Sie hätte gern gewusst, was es war.
Matt hatte weder vorgehabt, einen falschen Namen zu benutzen, noch, sich den anderen Gästen anzuschließen. Aber in dem Moment, als Gina seinen letzten Brief zerrissen und ihm dann mit schmalen Lippen und zusammengekniffenen Augen den Grund erklärt hatte, war ihm klar geworden, dass sie ihn ebenso entschlossen davonjagen würde, wie sie diesen Brief und jeden vorherigen zerknüllt hatte.
Zum Glück war er für die Reittour entsprechend ausgerüstet, nachdem er in seiner Naivität geglaubt hatte, Gina O’Neil würde sein Anliegen verstehen und ihn an den Ort führen, den er suchte.
Matt verdrehte im Geist die Augen, als er ihr Büro verließ. Manchmal stand er menschlichem Verhalten so ahnungslos gegenüber wie der typische zerstreute Professor.
Er war außerdem froh darüber, genügend Bargeld mitgebracht zu haben, nachdem er von der Notwendigkeit ausgegangen war, vor Ort ein paar Rädchen zu schmieren, Tagelöhner anzuheuern, die nicht unbedingt legal im Land lebten, und Dinge an Orten zu beschaffen, wo ausschließlich Bargeld akzeptiert wurde. Er hätte Gina unmöglich eine Kreditkarte aushändigen können, auf deren Vorderseite sein echter Name prangte.
Matt fand McCord am Fuß der polierten Holztreppe, wo er ungeduldig mit den Fingernägeln auf den Treppenpfosten klopfte und seine Stiefel scharrende Geräusche auf dem Boden erzeugten, als er von einem Fuß auf den anderen trat. Der Typ erinnerte Matt an einige seiner Studenten.
Nachdem sie ihr Ritalin abgesetzt hatten.
Er bemühte sich wieder um ein Lächeln. Und erntete wieder einen finsteren Blick, bevor der Mann mit einem gemurmelten »Kommen Sie« die Treppe hochstapfte.
Wenn das der Umgangston war, mit dem sie ihre Ranch leiteten, wunderte es Matt, dass sie überhaupt Kundschaft hatten.
Er warf einen sehnsuchtsvollen Blick in Richtung Büro. Er hätte die Fotos gern eingehender studiert und Gina nach ihnen befragt. Obwohl keins der Bilder mit dem in seiner Tasche übereinstimmte, machte ihn der ähnliche Stil nur umso sicherer, dass der darauf abgebildete Ort hier zu finden war und Gina exakt wusste, wo.
Matts Aufmerksamkeit wurde auf die Fliegengittertür gelenkt, hinter der ein halbes Dutzend Männer und Frauen zu erkennen war. Sie lungerten um seinen Leihwagen herum und wirkten irgendwie verloren. Dann wurde auf der Rückseite des Hauses eine Tür zugeschlagen, und Gina tauchte auf.
Sie hielt auf die Neuankömmlinge zu; ihre langen Beine steckten in abgetragenen weiten Jeans. Matt hatte bis dato nicht geahnt, dass weite Jeans so verführerisch sein konnten. Die meisten Frauen an der Universität trugen Hosen, die so eng waren, dass er nicht kapierte, wie sie sich hineinzwängen konnten. Oder heraus.
Doch
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