Wolfsglut - Handeland, L: Wolfsglut
„Ich war schon immer der Überzeugung, dass die Menschen, von denen wir am wenigsten erwarten, dass sie auf uns schießen, dies für gewöhnlich tun.“
Witzigerweise war das auch meine Meinung.
„Was tust du hier?“, wiederholte ich.
Er zog die Brauen hoch. „Keine Umarmung, kein Kuss? Du freust dich nicht, mich zu sehen? Wenn ich mich recht entsinne, bin ich derjenige, der sauer sein sollte.“
Er setzte sich unaufgefordert auf einen Stuhl.
„Oh, warte.“ Sein Blick traf meinen. „Das bin ich ja auch.“
Nic hatte jedes Recht, wütend zu sein. Ich hatte mich eines Nachts einfach davongeschlichen, so als hätte ich etwas zu verbergen.
Moment mal. Das hatte ich ja auch.
Trotzdem tat es weh, ihn hier zu sehen. Ich konnte ihm nicht erklären, warum ich ihn verlassen hatte. Ich konnte mich nicht entschuldigen, weil es mir nicht wirklich leidtat. Ich konnte ihn nicht so berühren, wie ich es wollte. Ich konnte nie wieder jemanden auf diese Weise berühren.
„Du bist nicht gekommen, um über die Vergangenheit zu reden“, fuhr ich ihn an. „Was hat das FBI mit den Jägersuchern zu schaffen?“
Ich war nicht die Einzige, die Monster bekämpfte, sondern nur ein sonderbares Mitglied einer Gruppe Auserwählter.
Obwohl von der Regierung finanziert, wurde die Existenz der Jägersucher vor allen außer jenen, die Bescheid wissen mussten, geheim gehalten. Wenn herauskäme, dass überall Monster frei herumliefen, würde Panik ausbrechen.
Nicht nur das, es würden auch Köpfe rollen. Uneingeschränkte Gelder für eine Monster jagende Spezialeinheit? Ein paar Leute würden definitiv ihren Job verliere n – und wir dabei unsere finanzielle Grundlage. Also gaben wir vor, etwas zu sein, das wir nicht waren.
Ich zum Beispiel war eine Forscherin, die eine neue Form von Tollwut innerhalb der Wolfspopulation untersuchte. Die meisten unserer operativen Agenten trugen Papiere bei sich, die sie als Mitarbeiter verschiedener Naturschutzbehörden auswiesen.
Bis heute hatten die Vorsichtsmaßnahmen funktioniert. Nie zuvor hatte jemand bei uns herumgeschnüffelt.
Die Frage lautete: Warum jetzt?
Und warum er?
2
„Ich arbeite für die CID .“
Die Criminal Investigations Divison , übersetzte mein Gehirn, während Nic in seine Jacke fasste, seinen Ausweis herauszog und ihn mit geübter Geste aufklappte.
Ich machte mir nicht die Mühe, ihn mir anzusehen. Ich wusste, wer er war. Seine Dienstmarke war mir egal. Ich wollte erfahren, weshalb er aus der Vergangenheit zurück in mein Leben gekommen war. Ich wollte herausfinden, wo der Junge geblieben war, den ich einst geliebt hatte, und wann dieser Fremde an seine Stelle getreten war.
Vor sieben Jahren war Nic witzig und locker gewesen. Ich hatte mit ihm mehr gelacht als je zuvor mit einem Menschen.
Er war ein Feuerwerk der Kontraste gewesen. Schnell mit Zahlen, gewitzt mit Worten, flink mit den Händen, träge beim Lächeln und großartig im Küssen.
Wir waren beide allein auf der Welt gewesen und hatten nach etwas gesucht, vielleicht auch nach jemandem. Wir hatten es aneinander gefunden. Mein Leben war schon immer unterteilt gewesen in die Zeit vor Dominic Franklin und in die danach.
Ich weiß noch immer nicht, ob ich an die Liebe auf den ersten Blick glaube. Ich hatte Nic so oft gesehen, bevor ich mich in ihn verliebte. Aber an eine wahre, tiefe, ewige Liebe? Daran glaube ich fest.
„Warum du?“
Mir war nicht bewusst gewesen, dass ich die Frage laut gestellt hatte, bis er sie beantwortete.
„Weil ich der Beste in meinem Metier bin.“
„Das da wäre?“
„Verschwundene Personen aufzuspüren.“
„Was hat das mit uns zu tun?“
„Sag du es mir. Was tust du eigentlich genau?“
Würde ich ihn abwimmeln können, indem ich ihm die Lügen erzählte, die ich anderen schon Hunderte von Malen aufgetischt hatte? Ein Versuch konnte nicht schaden.
„Ich untersuche einen neuen Tollwuterreger innerhalb der Wolfspopulation.“
„Davon habe ich nie gehört.“
„Die Regierung will geheim halten, dass das Virus zunehmend resistent auf den Impfstoff reagiert.“
„Tut es das?“
„Nein, ich habe das frei erfunden.“
Meine Zähne schlugen hörbar aufeinander, als ich den Mund schloss. Warum konnte ich nicht die Klappe halten?
Seine Lippen zuckten, fast war es ein Lächeln. Doch der Ausdruck verschwand so schnell wie der Mond bei Morgengrauen.
„Du wolltest immer Ärztin werden.“
„Das bin ich.“
„Du arbeitest in der Forschung, nicht in der
Weitere Kostenlose Bücher