Wolfsglut - Handeland, L: Wolfsglut
medizinischen Praxis.“
Ich hatte die Hoffnung aufgegeben, Kranke zu behandeln, nachdem ich zum ersten Mal pelzig geworden war. Es ist irgendwie schwer, sich eine Praxis aufzubauen, wenn man nie sicher sein kann, ob man am Morgen nach einem Vollmond nicht voller Blut aufwachen wird.
In Wahrheit hatten mich Viren schon immer faszinier t – wo sie herkamen, wie sie weitergegeben wurden, wie zur Hölle wir sie unter Kontrolle bringen können. Einer der wenigen Lichtblicke in den letzten sieben Jahren war meine Arbeit gewesen. Man hatte mir völlig freie Hand dabei gelassen, etwas zu studieren, von dem niemand sonst auch nur wusste. Welcher Wissenschaftler wäre da nicht in Versuchung geraten?
Nic starrte mich weiter an, zweifellos wartete er noch immer auf meine Erklärung, warum ich keine Babys auf die Welt holte oder als Gehirnchirurgin arbeitete. Da konnte er lange warten.
„Und du wolltest Anwalt werden.“
ImZweifelsfallimmermitdemFingeraufdenanderenzeigen.
„Das bin ich auch geworden. Viele unserer Agenten kommen ursprünglich aus juristischen oder kaufmännischen Berufen.“
Hoppla . Man lernt nie aus.
„Diese Einrichtung wirkt riesig“, fuhr er fort. „Wie viele Forscher arbeiten hier?“
Ich war mit meinen Lügen und meiner Geduld am Ende.
„Wenn du mehr Informationen willst, musst du mit meinem Chef, Edward Mandenauer, sprechen.“
Ein Anruf von Mandenauer in Washington, D.C., und Nic würde hochkant rausfliegen.
„Schön. Wo ist er?“
„Wisconsin. Das liegt ein ganzes Stück östlich von hier.“
Seine Augen wurden schmal. „ Wo in Wisconsin?“
„Verschlusssache.“ Ich zuckte die Schultern. „Tut mir leid.“
„Elise, du machst mich langsam wütend.“
„Nur langsam?“
Fast kam wieder dieses Lächeln zum Vorschein, und ich dachte schon, na bitte , doch eine Sekunde später bekam er sich wieder in den Griff und runzelte die Stirn.
Dieser neue Nic machte mich nervös. War er wegen seines Jobs so ernst und schwermütig geworden oder meinetwegen? Mir gefiel keine der beiden Möglichkeiten.
Er lehnte sich zurück und verschränkte die Hände vor der Stirn. „Ich werde einfach warten, bis er anruft.“
Ich öffnete den Mund, dann schloss ich ihn wieder. Ich war mit meinem Latein am Ende. Auf keinen Fall durfte ich ihn hier herumlungern lassen. Ich lag ohnehin schon hinter meinem Zeitplan zurück. Abgesehen davon, wie sollte ich ihm erklären, dass in diesem Gebäude niemand war außer mir, einem einzelnen Wachmann und den Werwölfen im Untergeschoss?
Ich könnte Nic rausschmeißen oder es den Wachposten tun lassen; allerdings würde ein solches Verhalten nur zusätzliche Fragen aufwerfen und uns ohne Zweifel in den Genuss weiterer Besuche des FBI bringen. Es wäre besser, Nic davon zu überzeugen, freiwillig zu gehen, falls das möglich war.
„Edward wird sich während der nächsten Tage nicht melden. Er ist im Außendienst. Aber du kannst ebenso gut mir sagen, worum es geht.“
Nic starrte mich ein paar Sekunden lang an, bevor er sich nach vorn beugte und die Arme auf den Tisch legte. „Ich arbeite schon seit Jahren an einem Fall. Eine Menge Leute sind nicht mehr dort, wo sie eigentlich sein sollten, und auch nirgendwo anders aufgetaucht.“
„Seit wann fallen vermisste Personen in die Zuständigkeit des FBI ?“
„Seit wir guten Grund zu der Annahme haben, dass es hier um mehr geht als um spurloses Verschwinden.“
Ich hörte, was er nicht sagte. Das FBI glaubte, es mit einem Serienkidnapper, wenn nicht sogar mit einem Serienkiller zu tun zu haben. Zur Hölle, vermutlich traf das zu. Was sie dabei jedoch nicht ahnten, war, dass es sich bei dem Missetäter höchstwahrscheinlich um ein alles andere als menschliches Wesen handelte.
„In dieser Welt verschwinden wesentlich mehr Leute, als irgendjemand weiß“, murmelte ich.
Nic hob eine Braue. Ich schätze, das hätte ich ihm nicht sagen müssen. Es war sein Job, die Vermissten zu finden. Was ihn zu einer Gefahr für meinen Job machte.
Um die Bevölkerung ruhig zu halten, gehörte es zur Arbeit eines Jägersuchers , Ausreden zu erfinden, abzuwiegeln, sicherzustellen, dass jene, die von bösen Wesen ermordet worden waren, nicht von ihren Familien oder den Behörden gesucht wurden.
„Ich verstehe noch immer nicht, wie wir dir helfen können. Stammt eine der vermissten Personen hier aus der Gegend?“
„Nein.“
„Habt ihr jemanden hierher verfolgt?“
„Nein.“
Ich warf die Hände in die Luft. „Was
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