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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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darüber.«
    »Was für Geschichten?« wollte Rebecca wissen.
    » Sie würden Ihnen nicht gefallen«, behauptete Wissler. »Wahrscheinlich würden Sie darüber lachen. Es spielt auch keine Rolle. Was wichtig ist, ist, daß die Menschen hier dieses Land
respektieren.
Sie gehen niemals in dieses Tal. Es führt nicht einmal eine Straße hinunter.«
    »Eigentlich schade«, sagte Becci. »Es ist sehr schön gelegen.«
    Wissler sah sie auf eine sonderbare Weise an. »Nicht alles, was uns gefällt, ist deshalb auch automatisch gleich unser Eigentum«, sagte er. »Ich weiß, was Sie meinen. Die Leute hier könnten ein Vermögen machen, wenn sie dieses Tal für den Tourismus erschließen würden. Aber damit würden sie es auch binnen kürzester Zeit zerstören.«
    »Warum nennen Sie es ›Wolfsherz‹ ?« fragte Rebecca, und noch bevor Wissler auf die Frage antworten konnte, drang ein unheimlicher, langgezogener Laut aus dem Tal herauf. Sowohl Becci als auch Stefan wußten sofort, worum es sich bei diesem Laut handelte - obwohl es gar kein richtiges Wolfsheulen war. Wenigstens nicht jene Art von Heulen, wie man sie aus zahllosen Wildwest- und Gruselfilmen kannte, denn dieser Laut hatte nichts mit Romantik zu tun, oder dem Ruf der Wildnis. Er beschwor nicht das Bild einer Wolfssilhouette herauf, die auf einer Klippe stand und den Mond anheulte, sondern andere, ältere und ungute Dinge; Gefühle, die sich nicht in Bilder fassen ließen, und Empfindungen, die fremd und verwirrend und gleichzeitig auf eine beunruhigende Weise vertraut waren. Es war auch kein wirkliches Heulen, sondern ein langgezogener, an- und abschwellender Laut, der zugleich klagend wie herausfordernd klang, vage verängstigt und im gleichen Maße drohend. Und er enthielt eine Warnung, die nicht zu überhören war.
    »War das Antwort genug?« fragte Wissler.
    »Es gibt dort unten tatsächlich noch Wölfe?« fragte Rebecca. Sie klang ein bißchen erschrocken.
    Auch Stefan war ein wenig beunruhigt - aber weniger wegen des Wolfsheulens, falls es sich überhaupt um ein solches handelte. Er sah den Mann neben Wissler an, und dessen Reaktion war sehr sonderbar. Er hatte sich stocksteif hinter dem Steuer aufgerichtet, und auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck, den Stefan trotz der herrschenden Dunkelheit nur als Entsetzen bezeichnen konnte. Stefan verstand das nicht. Der Wolf mußte Kilometer entfernt sein, und mit großer Wahrscheinlichkeit würde er es sich fünfmal überlegen, hierherzukommen und sich den beiden Autos und ihren sonderbaren Insassen zu nahem. Und selbst wenn - sie waren zu acht, und mindestens fünf von ihnen waren bis an die Zähne bewaffnet. Es gab nicht den mindesten Grund, Angst zu haben. Trotzdem sah der Mann aus, als wäre er nur noch eine Winzigkeit davon entfernt, in Panik auszubrechen. Seine Hände hatten sich so fest um das Gewehr geschlossen, daß das Blut aus seinen Fingern wich.
    »Es gibt hier so manches, von dem Sie nichts ahnen«, antwortete Wissler. Diesmal schien er es jedoch nicht bei einer geheimnisvollen Andeutung bewenden lassen zu wollen, sondern setzte unverzüglich dazu an, weiterzureden. Der Kroate legte ihm die Hand auf den Unterarm, sagte ein einzelnes, halblautes Wort in seiner für Stefan noch immer unverständlichen Sprache und deutete mit der anderen Hand nach vorne, zu den Hügeln auf der anderen Seite des Tales.
    In der Dunkelheit glommen zwei winzige, gelbweiße Sterne auf und erloschen wieder, flammten erneut auf und verblaßten wieder in der Schwärze. Stefan erinnerte der Anblick an ein Paar leuchtender Dämonenaugen, die dort drüben blinzelten. Natürlich wußte er auch zugleich, was es wirklich war: ein Scheinwerferpaar, das ihnen von der anderen Seite des Tales aus ein Signal gab.
    »Barkow?« fragte er.
    »Ja.« Wissler rutschte unbehaglich auf seinem Sitz hin und her, während ihr Chauffeur bereits den Motor anließ und die Scheinwerfer einschaltete. »Es sieht so aus, als hätten wir den Sicherheitscheck bestanden.«
    Aus einem Grund, den Stefan selbst nicht benennen konnte, gefiel ihm dieses Wort nicht. Nicht aus Wisslers Mund. Hinter ihnen erwachte der Motor des anderen Jeeps zum Leben; stotternd und erst nach dem dritten Versuch. Stefan blinzelte, als der Wagen hinter ihnen herumschwenkte und ihn die Scheinwerfer für einen Moment blendeten, aber er unterdrückte den Impuls, die Hand vor die Augen zu heben. Eine unbestimmte Furcht hatte ihn ergriffen, die ebenso Substanz- wie grundlos zu sein schien,

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