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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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eingeschaltet, so daß die Helligkeit seinen überempfindlich gewordenen Augen fast weh tat. Jemand hatte das Tor geöffnet. Doms Wagen - ein Zivilwagen; wenigstens war er rücksichtsvoll gewesen, nicht mit Blaulicht und Sirene oder gleich einer Hundertschaft samt Scharfschürzen und Hunden anzurücken - stand auf halbem Wege zwischen dem Tor und der Garage. Näher hatte er nicht herangekonnt, weil Roberts gemietete Limousine den Weg versperrte. Von den Polizisten oder Roberts Männern war nichts zu sehen, aber Stefan spürte die Gegenwart einer Person vome am Tor und mindestens einer weiteren draußen auf der Straße. Wahrscheinlich gehörte der Mann zu White.
    Als sie den Garten halb durchquert hatten, hörten sie vor sich einen gedämpften, erschrockenen Ausruf, und dann einen hastigen Schritt; zuerst auf Beton, dann auf Gras. Sie beschleunigten ihre Schritte, dann bot sich ihnen ein fast grotesker Anblick: Roberts Sicherheitsmann, der stocksteif und leicht nach hinten gebeugt dastand, aber mit beiden Armen komisch-rudernden Bewegungen ausführte, um sein Gleichgewicht zu halten. Stefan begriff, was geschehen war: Natürlich gehörte zu Roberts Angebervilla auch ein standesgemäßer Swimmingpool; nicht ganz so groß wie ein Freibad, aber auch nicht sehr viel kleiner. Und im Moment und infolge der Jahreszeit ohne Wasser. Der hastige Schritt, den sie gehört hatten, hatte den Mann vor einem zweimetersturz auf ziemlich harten Beton bewahrt.
    Rebecca blieb gerade lange genug stehen, um sich davon zu überzeugen, daß er sein Gleichgewicht aus eigener Kraft zurückgewann, dann wandte sie sich nach links und balancierte mit traumwandlerischer Sicherheit am Rande des leeren Pools entlang. Stefan folgte ihr. Ein muffiger Geruch schlug ihnen aus dem leeren Becken entgegen; eine Mischung aus Fäulnis, abgestandenem Wasser und Chemikalien, die schon vor Monaten ihre Wirksamkeit verloren hatten. Das noch immer spürbare, ganz leichte Chlor-Aroma ließ einen harten Knoten aus Übelkeit in seinem Hals entstehen. Es war ein toter Geruch, voller Feindseligkeit und Zerstörung. Stefan atmete im realen und übertragenen Sinne auf, als sie den Pool umkreist hatten und sich der hinteren Begrenzung des Gartens näherten.
    Genau wie Roberts Haus war auch der Garten riesig. Zwischen dem leeren Schwimmbecken und dem geschmiedeten Zaun lag noch einmal die gleiche Distanz wie die zum Haus, mindestens dreißig Meter. Der Sicherheitsmann schloß mit schnellen - und für Stefans Geschmack viel zu
lauten -
Schritten zu ihnen auf, und kurz, bevor sie den Zaun erreicht hatten, blieb Rebecca plötzlich stehen und legte den Kopf schräg. Stefan sah, wie sich Eva auf ihrem Arm versteifte.
    »Was hast du?« flüsterte er.
    »Da ist jemand«, antwortete Rebecca. Keine Erklärung.
    Auch Stefan lauschte, ohne allerdings irgend etwas Verdächtiges zu hören. Es dauert eine volle Sekunde, ehe er seinen Fehler begriff. Rebecca sprach nicht über irgend etwas, das sie hörte. Er schloß für einen Moment die Augen und lauschte in sich hinein, und er hörte fast sofort das Flüstern jener anderen, uralten Stimme. Es war das gleiche Gefühl wie früher an diesem Abend, im Krankenhaus. Etwas kam. Etwas, das keinen Namen und keine Gestalt hatte, sondern pure Gefahr war.
    »Wo ist diese Lücke im Zaun?« fragte der Sicherheitsmann. »Ich kann -«
    Stefan hob hastig die Hand und brachte ihn zum Schweigen. Der Mann hatte nichts gehört - wie konnte er? -, und auch Stefans Warnung war im Grunde überflüssig. Das, was da auf sie zukam, war nicht zu
hören.
    »Dort.« Rebecca deutete nach links. Der Zaun hatte dort keine Lücke, wie Stefan erwartet hatte, aber einer der uralten Bäume, die überall auf dem Grundstück wuchsen, streckte seine Äste weit genug hinüber, um eine bequeme Leiter zu bilden. Statt jedoch darauf zuzugehen, machte Rebecca einen Schritt zurück. Ihre Nasenflügel bebten. Als nähme sie Witterung auf.
    Roberts Bodyguard erwies sich wieder einmal als guter Beobachter, zumindest für seine Verhältnisse. Stefan glaubte nicht, daß er die Gefahr spürte, die sich ihnen näherte, aber er registrierte sehr wohl Rebeccas Reaktion. Seine Haltung zeugte plötzlich von großer Anspannung. Er hob die rechte Hand mit der Waffe. Stefan hörte ein leises Klicken, als er sie entsicherte.
    »Lassen sie den Unsinn«, flüsterte Stefan. »Zurück zum Haus.«
    »Aber -«
    »Schnell!«
    Das wirkte. Vielleicht spürte der Mann auch einfach die Panik, die in

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