Wolfsherzen - Eine Liebe in Alaska
vergangenen Woche hat sie alles versucht, um mit Lucius zu reden. Doch niemand weiß, wo er ist. Sie hat schlecht geschlafen, kaum gegessen. Sie übernachtet in einer schmuddeligen Absteige, die sie zum Glück noch auftreiben konnte. Denn die Presseleute sind noch nicht wieder abgerückt. Sie lauern, wittern eine Story. Robert hat sich zwar noch nicht wieder bei ihr gemeldet, doch sein schwarzer Jeep stand nicht nur einmal gegenüber ihrer Absteige herum. Auch er scheint zu lauern. Lucy weiß nicht, was sie noch tun könnte, außer zu warten. Auf Lucius‘ Auftauchen. Sie ist zu Untätigkeit verdammt. Es macht sie halb wahnsinnig. Der Gedanke, dass Luc das Schlimmste von ihr denkt, alles in Frage stellt. „Verdammter, misstrauischer Wolf. Wo bist du? Ich will dir alles erzählen!“ Versonnen dreht sie den kleinen Hüttenschlüssel an seinem Band zwischen den Fingern. Da bekommt sie wieder Unterleibsschmerzen. Doch diesmal kann sie es nicht länger ignorieren. Fiebernd greift sie zum Telefonhörer.
„Mrs. Denalo“, meint Doktor Sheller mit eindringlichem Blick. „Sie müssen sich unbedingt schonen. Sonst verlieren Sie das Kind. Sie sollten alle Aufregung von sich fern halten.“ Er verstaut das Stethoskop wieder in seiner Arzttasche und sieht sich in ihrer Absteige um. „Haben Sie denn niemanden, bei dem Sie für eine Weile unterkommen und Ruhe finden könnten?“
Lucy atmet durch. „Doch.“ Sie zieht sich wieder den Pullover über.
„Dann tun Sie es, Mädchen. Falls es nicht schon zu spät ist. Mag sein, dass die Frucht abgestoßen wird. Daher rühren diese wehenartigen Schmerzen.“
Lucy schluckt betroffen.
„Haben Sie sich ordentlich ernährt?“
Sie schüttelt nur matt den Kopf. Was muss noch passieren? Es sind ihre schwärzesten Stunden. Verdammter Robert!
„Hier“, meint er, wobei er ein paar geschmierte Brote aus seiner Tasche hervor kramt, die in Butterbrotpapier eingewickelt sind. „Meine Frau hat sie mit viel Liebe geschmiert“, fährt er fort und zwinkert ihr aufmunternd zu.
Lucy versucht es mit einem Lächeln. „Aber die sind doch Ihnen.“
„Du kannst sie jetzt besser gebrauchen. Ich muss ohnehin ein wenig abspecken.“
„Danke, Doc“, schnieft sie und nimmt das Päckchen entgegen.
„Das ist kein Mann der Welt wert.“
Sie betrachtet ihn nachdenklich, während sie eines der Brote auspackt. „Ja. Sie haben Recht“, murmelt sie und beißt ab. Es schmeckt göttlich nach Schinken. Sie verdreht unter genüsslichem Stöhnen die Augen und nimmt einen zweiten Bissen.
„So ist’s recht“, meint Doktor Sheller lachend und schließt die Schnallen seiner Ledertasche wieder. Er erhebt sich. „Ich sehe morgen früh noch einmal vorbei.“
Lucy nickt einverstanden und will sich erheben. Doch er bedeutet ihr, sitzen zu bleiben. „Iss nur. Ich finde allein raus.“ Er atmet auf. „Dann wird hoffentlich auch hier in Ricksdale endlich wieder Ruhe einkehren“, meint er, während er Richtung Tür geht. „Der Trubel ist ja nicht mehr auszuhalten.“
Lucy bedenkt es nur mit einem peinlich berührten Blick und nickt ihm noch zu, als er die Hand zum Gruß hebt. Ihr Privatleben ist ihr heilig und sie findet es furchtbar, wie die Presse auf Ereignisse wartet, die nur sie etwas angehen. Sie kam noch nie damit klar, so in der Öffentlichkeit zu stehen, hasst es regelrecht. Sie schlingt die Bissen herunter, es geht ihr schon viel besser. Schmatzend wischt sie sich die Hände ein wenig am Pullover ab und greift erneut zum Telefon. Sie wählt die Nummer von Ellis und atmet durch.
Der einsame schwarze Wolf
Ellis hält ihr die Tür zu ihrem Geländewagen auf und ist Lucy beim Aussteigen behilflich. Sie fallen sich in die Arme.
„Wie schön, Lucy. Aber ich finde es nicht gut, dass du mit deinem Bein selbst gefahren bist“, stellt sie noch einmal klar.
„Ach. Es geht schon viel besser“, meint Lucy niedergeschlagen. Ellis‘ Umarmung tut ihr gut.
Ellis löst sich wieder von ihr und blickt ihr forschend ins Gesicht. „Hey.“
Lucy schnieft. Sie blickt in den Abendhimmel und blinzelt sich die Tränen weg.
„Komm erst einmal herein“, raunt sie, während sie Lucys Rucksack schultert.
Lucy wischt sich über die Augen und blickt sich neugierig im letzten Schein der Abendsonne um. Das Haus ist klein und schlicht. Es steht etwa fünfhundert Schritte vom nächsten Haus entfernt, hat einen großen Garten, der von Taiga begrenzt wird. Es besteht aus einem Erdgeschoß und einer ersten Etage und
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