Wolfsherzen - Eine Liebe in Alaska
ist mit wettergegerbtem Holz verkleidet. Bunt bemalte Fensterläden umrahmen von innen erleuchtete Holzfenster, die mit Eisblumen überzogen sind. Ein hölzernes Windspiel, das mit bepunkteten Federn von Wildgänsen verziert ist, klingt ihnen beruhigend entgegen. In einem großen Vogelhaus, welches vor einem der Fenster des Erdgeschosses steht, tummeln sich kleine Singvögel.
„Sieh nicht so genau hin, Lucy. Du bist bestimmt viel Besseres gewöhnt. Wir sind arme Kirchenmäuse.“
„Du weißt gar nicht, wie reich ihr seid, Ellis“, raunt Lucy bewundernd. „Ich fühl‘ mich hier gleich ganz heimisch.“
Ellis lächelt. „Das freut mich. Komm.“ Sie geht ihr voraus.
„Wo ist Martin?“
„Der kommt erst heim, wenn es dunkel wird. Er ist bei seinem Freund.“
Lucy folgt ihr in eine gemütliche Küche mit einem Küchenofen, hinter dessen Sichtfenster ein Feuer munter vor sich hin flackert. Bratkartoffeln brutzeln auf der Herdplatte in einer alten Eisenpfanne leicht vor sich hin. Hinter dem Herd sind ein paar feuchte Sachen auf einer hölzernen Querstange zum Trocknen aufgehängt. In einem dunklen Winkel baumeln getrocknete Kräuter von der Decke herab.
„Komm.“ Ellis hat sich am Fenster an den Küchentisch gesetzt und deutet mit dem Kopf auf eine gepolsterte Küchenbank. „Trink mit mir eine Tasse Tee.“
Lucy erblickt das Vogelhaus im Fenster stehen, in dem noch immer Vögel herumpicken, und nimmt neben Ellis Platz. Alles verströmt Ruhe und Behaglichkeit. „Es ist genau das, was ich gerade brauche, Ellis.“ Sie hat ihr bereits am Telefon alles erzählt.
Ellis schüttelt den Kopf. „Das ist ganz Lucius, Kleines. Er wird irgendwo in der Wildnis sein.“
„Aber es ist schon über eine Woche her, Ellis.“ Sie bekommt wieder feuchte Augen. Wie vermisst sie ihn!
„Ja. Das ist lang. Daran erkennst du, dass es ihn arg mitgenommen hat. Aber er kommt wieder, Lucy. Und dann rufst du ihn an.“
„Das werde ich Robert nie verzeihen“, raunt sie.
„Was tun die Männer nicht alles aus Liebe. Die blödesten Sachen!“
Lucy schüttelt nur ohnmächtig den Kopf.
„Und was macht mein Enkelkind?“
Sie atmet durch. „Das hält sich wacker“, erwidert sie lächelnd.
„Das ist doch mal eine gute Nachricht“, versucht Ellis, sie aufzumuntern und stößt sie auffordernd an.
„Ja“, gibt Lucy zu.
„Also. Wie lange willst du bleiben?“
Lucy nimmt einen Schluck Tee und zuckt unschlüssig die Schultern. „Ich brauche eine Auszeit. Will Energie tanken.“ Sie nickt. „Und alles über meine Wurzeln erfahren. Bei Lucius‘ Elternhaus vorbeisehen. Und natürlich Granny besuchen.“
„Du bist hier immer willkommen, Lucy. Du kannst so lange bleiben, wie du willst.“
Sie dankt es ihr mit einem Lächeln. „Leider muss ich in ein paar Wochen nach Vancouver. Ich will wieder an die Uni gehen.“
„Keine Filme mehr?“
Sie schüttelt den Kopf. „Vorerst nicht. Ich will Robert nicht sehen. Ich werde ihm noch die Fotos, die ich vor dem Absturz gemacht habe, zukommen lassen. Und dann tauche ich erst einmal unter.“ Sie hört, dass die Tür geht.
„Jetzt kommt wohl Martin“, fragt sie. Doch um die Ecke des Korridors biegt jemand ganz anderes. Lucy hält überrascht den Atem an, als sie das uralte Gesicht wiedererkennt. Granny ist viel kleiner, als sie gedacht hat. Sie blickt ihr mit ihren dunklen Augen rege entgegen. Ihr wettergegerbtes Gesicht ist von tiefen Falten durchzogen. Dessen Bräune steht im Kontrast zu ihrem schlohweißen Haar. Es liegt ihr glatt und eng am Kopf an und ist auf ihrem Rücken zu einem dünnen Zopf gefasst. Lucy hat sich erhoben und kommt gerührt vor sie.
Granny rümpft missfällig die Nase. „Was glaubst du wohl, wie lange ich noch warten kann“, weist sie Lucy kopfschüttelnd und mit fester, rauchiger Stimme zurecht. „Wie lange wolltest du mich noch warten lassen, bis du deinen Weg endlich hierher lenkst?“
Lucy nimmt sie glücklich in die Arme. Sie riecht nach Rauch. „Verzeih mir, Granny. Aber ich wusste nicht, wo ich dich finden kann.“
„Du hast mich doch so oft besucht! Hast deinen Geist auf Wanderung geschickt. Was für eine dumme Ausrede!“
„Ich bin eben ein bisschen dumm. Du musst mir zeigen, wie ich schlauer werde.“
„Ja. Ich werde dir endlich zeigen, wie du den Großen Geist selbst erreichen kannst. Und dann werde ich gehen. Dann bist DU an der Reihe. Denn du bist die Einzige, die hier noch dafür geeignet ist.“ Sie wendet sich wieder zur
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