Wolfsinstinkt
eine wilde Angst machte sich in ihm breit. Er musste zu Tala. Er musste wissen, was hier vor sich ging!
Ohne sich lange mit der Frage aufzuhalten, in welche Richtung Tala wohl gelaufen sein könnte, stürmte er los. Es hatte bereits zwei Mal geklappt, also musste es jetzt auch klappen.
Er schlug sich durchs Geäst. Dornenbüsche schnitten ihm trotz der Hose in die Beine, Äste peitschten ihm ins Gesicht und zerkratzten ihm den nackten Oberkörper und die Arme. Bei jedem Schritt verfingen sich neue Zweige in seinen Haaren, doch er ignorierte es und stürmte einfach weiter. Gerade als ihm der Gedanke kam, dass er wohl mehr als nur ein paar Spuren hinterließ, brach er durch einen besonders dichten Strauch. Der Wald wurde etwas lichter und der Mond spendete mehr von seinem silbernen Glanz. Ricky blieb einen Augenblick stehen und sah sich um. Ein lautes Heulen zerriss die Stille der Nacht.
„Tala“, hauchte Ricky. Inzwischen würde er Talas Geheule unter allen Wölfen der Welt erkennen können.
Das Heulen klang so nah, dass ihm ein Schauer über den Rücken lief. Ein zweites Heulen antwortete ihm, und Ricky hatte das Gefühl, ihm würde das Blut in den Adern gefrieren. Das klang so aggressiv, dass Ricky bezweifelte, dass es sich um einen der anderen Wächter handelte.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Ricky wieder in der Lage war, sich zu bewegen. Er rannte in die Richtung, aus der das Heulen gekommen war.
„Tala!“ Ricky rannte weiter, stolperte über eine Wurzel und schlug hart auf dem Boden auf. Benommen blieb er liegen und ächzte schmerzerfüllt. Es ging in beängstigendem Winseln und wütendem Kläffen unter. Ricky hob den Kopf und riss die Augen auf.
Talas Nackenfell hatte sich aufgestellt und er starrte auf einen Fleck zwischen den Bäumen. Ricky konnte nicht erkennen, was er so fixierte, bis ein weiterer Wolf aus der Dunkelheit brach und sich auf Tala stürzte.
Ricky schrie auf, als er die weiße Fellfärbung erkannte.
So schnell es ging, kämpfte er sich auf die Beine. Er hatte gerade mal den ersten Schritt gemacht, als sich der weiße Wolf auf Tala stürzte und sich in seiner Schulter verbiss.
„Nein!“ Ricky wich weiter zurück und starrte angsterfüllt auf die Szene, die sich ihm bot. Die Wölfe kämpften, wie Ricky es nicht mal aus Filmen kannte. Viel zu schnell wechselte der dominierende Part, und viel zu oft lag Tala auf dem Rücken.
„Tala!“, rief Ricky unbedacht.
Tala riss den Kopf herum, und Ricky erkannte seinen Fehler sofort. Als Tala ihn fixierte, griff Nashoba erneut an und der todbringende Kiefer verbiss sich an Talas Hals. Wieder stürzten die Wölfe zu Boden.
Entsetzt verfolgte Ricky die Szene, die sich ihm bot. Jeder Muskel in seinem Körper zitterte vor Angst. Blut färbte den Boden und die Körper beider Tiere. Es war schwer zu sagen, wer von beiden mehr Blut verlor, doch das Winseln kam definitiv von Tala.
Mit letzter Kraft stießen die Hinterläufe des braunen Wolfes den weißen von sich. Aber Tala erhob sich nicht. Er drehte sich und versuchte sich hochzustemmen. Ein leises Fiepen war das einzige Resultat.
Nashoba allerdings richtete sich auf. Den Blick knurrend auf Tala geheftet umkreiste er ihn und zog die Kreise dabei immer enger. Ricky sah Tala in die Augen. Das Braun war verschleiert und glasig. Ein müdes Blinzeln schien ihm sagen zu wollen, er solle weglaufen. Sich in Sicherheit bringen. Ricky beobachtete, wie Nashoba zu seinem letzten Angriff in Stellung ging.
Mit einem Mal hörten seine Muskeln auf zu zittern. Jedes Geräusch schien zu verstummen. Ricky nahm keinen Laut und keinen Geruch mehr wahr. Er spürte keine Kälte und keinen Schmerz. Alles, was er spürte, war sein Zorn auf Nashoba und seine Angst um Tala. Dann brach ein Knurren aus seiner Brust, wie er es nie zuvor von sich gehört hatte. Er stürzte nach vorne, sein Kopf zog sich in die Länge, Fell spross ihm aus jeder Pore, seine Hände wurden zu gefährlichen Klauen und seine Kiefer verformten sich zu tödlichen Waffen. Plötzlich bestand seine Umgebung vor allem aus den verschiedensten Gerüchen, die auf ihn einströmten. Seine Sehschärfe wurde besser denn je, er sah Nashoba klarer als zuvor vor sich. Das rationale Denken verschwand weitgehend, gleichzeitig spürte er eine körperliche Kraft in sich, die er nicht für möglich gehalten hatte. Er wollte etwas sagen, doch seine Stimmbänder produzierten nur heiseres Bellen.
Nashoba starrte ihn den Bruchteil einer Sekunde entsetzt an und
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