Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder
der Boden von links nach rechts, und sie wäre vielleicht zusammengebrochen, wenn der gleichmäßige Takt der Musik sie nicht vorwärts getrieben hätte.
JUUNAAJJTITT STEJTS OFF AMÖRRIKAA!
Sie hatte vergessen, wie viele Strophen das Lied hatte. Sie musste es bis nach draußen schaffen, bevor es vorbei war. Vielleicht war es schon die letzte Strophe. Aber während ihre verkrampften Finger sich mit dem Schlüssel abmühten, erbarmte sich Julia Cæsar und hob von Neuem an.
Plenty Sachen hier in Sweden, aus der guten alten Zeit,
sind tudej aus den Ju-Ess-Ejj …
Laila bekam den Schlüssel gedreht, drückte die Klinke hinunter und fiel in den Sommer hinaus. Sie lag mit dem Rücken auf dem Beton der Garagenauffahrt und starrte in den Himmel. Während Anfälle von Übelkeit durch ihren Körper wogten, sah sie grüne Lindenblätter vor einem klarblauen Himmel wippen, auf dem Schäfchenwolken vorüberzogen.
Geschäftiges Scharren und Kratzen, und schon kam ein Eichhörnchen den Stamm heruntergelaufen, hielt inne und lauschte der Musik aus der Garage, bevor es auf der anderen Seite verschwand und das Lied ausklang.
Ja, dass irgendetwas an dem alten Sweden doch ganz very vell olrajt ist!
Nachdem Laila ein bisschen Kraft gesammelt hatte, stieß sie mit dem Fuß gegen das Garagentor, sodass es sich vor weiteren Anekdoten des Komikers verschloss. Dann lag sie nur noch da und atmete, atmete.
Nach zehn Minuten konnte sie sich aufsetzen. Nach weiteren zehn Minuten ging sie in die Garage, stellte den Motor ab, öffnete alle Türen und zog den Staubsaugerschlauch heraus. Während sie auf dem Weg zum Haus den Schlauch wie eine gezähmte Schlange hinter sich herzog, überfiel sie ein Gedanke.
Dass sie die Zeichen falsch gedeutet hatte. Nicht das letzte Zeichen war entscheidend, sondern das erste.
Der erste Ort, an dem sie gesucht hatte, war die Garderobe mit der Schallplattensammlung gewesen. Irgendetwas hatte ihr gesagt, dass sie dort zuerst suchen sollte. Sie erinnerte sich gut daran, dass sie zwischen all den Singles und 78rpm-Scheiben tatsächlich auch »Annie aus Amörika« gesehen hatte.
Sie hatte sich damals nichts dabei gedacht. Jetzt tat sie es.
Es gab trotzdem einen Trost und etwas, das sie nie im Stich ließ. Etwas, das ihr so nah war, dass sie es nicht mehr gesehen hatte. Die Musik. Die Lieder. Die Schallplatten. Julia Cæsars Lied hatte keine Botschaft, aber ihr Auftritt, und diese Botschaft war ganz einfach: Gib nicht auf .
Laila warf den Staubsaugerschlauch in den Putzschrank und ging zur Garderobe hinüber, wo sie Jagd auf »Du bist ein Frühlingshauch im März« von Svante Thuresson machte. Das würde sie sich anhören. Und danach ein anderes Stück.
20
Als es auf den Oktober zuging, hielt Lennart es allmählich kaum noch aus. Er hatte nichts gegen Schlager oder Hitparadenklassiker, aber du lieber Gott, es musste doch eine Grenze geben! Von morgens bis abends nur Siw Malmkvist, Lasse Lönndahl und Mona Wessman.
Wenn Laila wenigstens Geschmack bewiesen und sich beispielsweise durch Peter Himmelstrands zahlreiche anspruchsvollere Kompositionen hindurchgearbeitet hätte, aber nein. Sie spielte, was ihr gerade in den Sinn kam und was sie zufällig in ihrer riesigen Plattensammlung fand. Das konnte ein Stündchen Trost mit Thorstein Bergman bedeuten, und direkt danach heulte dann zum Beispiel Towa Carson los mit der unbeholfenen Übersetzung eines deutschen Gebrauchsschlagers. Lennart konnte in der Küche sitzen und von »Heute träumte ich in der Nacht« eingelullt werden, um kurze Zeit später vor »Glaubt es, wenn ihr wollt« die Flucht zu ergreifen.
Es gab nur einen Grund, warum er nicht den Tonarm abbrach und den ganzen verdammten Plattenspieler aus dem Fenster warf: Laila war glücklich. Es war lange her, dass Lennart etwas dagegen hatte, wenn Laila glücklich war, aber es war auch lange her, dass er Kraft und Liebe genug hatte, um sie glücklich zu machen. Und so sorgte sie eben selbst dafür.
Sie war nicht die sprudelnde Freude, eher eine konstant lächelnde Seele, was beispielsweise auch beinhaltete, dass sie – wenn die Musik Pause machte – ein ordentliches Mittagessen kochte oder sauber machte. Also hieß es Zähne zusammenbeißen, wenn Anita Lindblom zum dritten Mal an diesem Tag die Stimme erhob und »soo-o ist das Leben« heulte. Das war es wert.
Darüber hinaus hatte Lennart begonnen, mehr Zeit im Keller zu verbringen, wo das Hitparadengewummer nur wie eine weit entfernte Wachparade
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