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Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Titel: Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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wo er noch mehr Schaumstoff aus der Plastikpritsche prokeln konnte, und am Morgen wurde er ohne ein weiteres Wort der Erklärung entlassen. Man bat ihn, sich nicht aus der Umgebung von Norrtälje zu entfernen.
    Eine Busfahrt und ein kurzes Stück per Anhalter später stand er wieder auf dem Grundstück. Von außen war keine Aktivität zu erkennen, aber irgendetwas blau-weiß Gestreiftes war über die Haustür gespannt worden. Jerry schaute über die Schulter zurück, um sicherzugehen, dass ihm niemand gefolgt war. Es hatte sich so angefühlt, als wäre jemand hinter ihm gewesen, aber das konnte genauso gut auch eine Schimäre sein, die sein übermüdetes Hirn erschaffen hatte.
    Er wollte nicht glauben, dass er so leicht davongekommen war. Vermutlich hatte die Polizei sein Alibi überprüft und Spuren gesichert, die ihn als Täter unwahrscheinlich machten, aber er verfügte über so viele wertvolle Informationen, dass er fastüberzeugt war, man müsste es ihm ansehen können. Dass sie wiederkommen würden, um es aus ihm herauszuziehen.
    Er setzte sich auf sein Motorrad und startete es. Als er vom Grundstück hinunter auf den Schotterweg rollte, der ihn von der entgegengesetzten Seite an die Lichtung heranführen würde, beschloss er, hochachtungsvoll auf die Polizei zu scheißen. Sollten sie doch tun und lassen, was sie wollten. Das Einzige, was jetzt wichtig war, war Theres.
    Warum es sich so verhielt, wusste er nicht. Er hasste die Menschen. Die Polizisten, die sich im Laufe der Nacht mit ihm befasst hatten, waren durch die Bank Arschlöcher gewesen, und seine einzige Freude hatte darin bestanden, sie gründlich an der Nase herumgeführt zu haben. Er trauerte im Grunde nicht um seine Eltern, sondern um seine Kindheit. Er hatte keine Freunde mehr. Aber Theres.
    Theres?
    Nein. Er wurde sich nicht richtig klar darüber. Es war einfach nur etwas, das er tun musste. Irgendwie war sie der einzige Mensch, den er nicht einmal ansatzweise hasste oder verachtete. Vielleicht lag es einfach nur daran.
    Er fuhr ein Stück in den Wald hinein und lehnte das Motorrad gegen einen Baum, wartete vorsichtshalber fünf Minuten ab, um sicherzugehen, dass ihm niemand gefolgt war. Dann ging er los.
    Er brauchte mehr als eine halbe Stunde, um die Lichtung zu finden, weil er von der falschen Seite kam, und als er endlich da war, erwartete ihn genau das, was er befürchtet hatte: nichts. Die Lichtung war leer. Nur das trockene Laub, das stellenweise zu Haufen zusammengeweht war. Er rieb sich die Augen.
    Was zum Teufel soll ich jetzt tun?
    Der Wald war nicht groß. Früher oder später würde Theres zu einer Straße kommen, jemand würde sie sehen, jemand würde … es war unmöglich, sich jedes Glied der Ereigniskette vorzustellen. Er konnte nur kalt konstatieren: Jetzt war es vorbei.
    Jerry schaute sich um und entdeckte etwas Blaues am Waldrand. Die ungeöffnete Tube mit Kalles Kaviarcreme war ein paar Meter in den Wald hineingeworfen worden. Daneben lag die Plastiktüte mit dem geschnittenen Brot, auch sie ungeöffnet. Nur der Schlafsack und die Taschenlampe fehlten. Vielleicht hatte sie sie mitgenommen.
    Bald würde die Tragödie ihren Lauf nehmen. Aber im Augenblick befand er sich noch auf dieser stillen Lichtung mitten im Wald, wo ihm kein Schwein Fragen stellen oder Vorwürfe erheben konnte. Er nahm die Tüte und die Tube mit und setzte sich mitten in der Lichtung auf den Boden, drückte großzügig Kaviarcreme auf eine Scheibe, legte eine andere obendrauf und biss herzhaft hinein.
    Er kaute und schloss die Augen. Nach der Nacht auf der Gefängnispritsche fühlte sich sein Körper wie Brei an, und die Pampe, die er gerade herunterschluckte, machte das Ganze auch nicht besser. Er träumte davon, einfach sitzen zu bleiben, auseinanderzufließen, zu verrotten und schließlich zu dem zu werden, nach dem es sich schon lange anfühlte, zu einer formlosen Masse. In aller Stille eins zu werden mit der Natur.
    Dann kam der Schluckauf. Er hatte das Brot zu hastig verschlungen.
    Er hickste und hickste und konnte nichts dagegen tun. Dann begann er zu schluchzen, und das Hicksen und das Schluchzen wetteiferten darum, seinen Körper auf der Stelle hüpfen zu lassen. So viel zum Thema »Stille Vereinigung mit der Erde«. Er ließ den Kopf zwischen die Knie sinken. Plötzlich ließ er alle Vorsicht sausen, legte den Kopf zurück und schrie: »THERES! THEERRREESS!«
    Der Schrei bereitete dem Hicksen und dem Schluchzen ein Ende. Ohne Hoffnung lauschte er

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