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Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Titel: Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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schon aufhalten können. Und trotzdem würde er jetzt weitermachen, weil es keine andere Möglichkeit gab. Er stand auf. Theres griff nach seinem Hosenbein.
    »Sorry«, sagte er. »Ich muss. Sonst holen sie uns. Alle beide. Ich komme zurück, so schnell ich kann.« Er zeigte auf den Schlafsack. »Halt dich warm.«
    Theres murmelte: »Die Großen gefährlich. Du wirst tot.«
    Jerry konnte nicht anders, er musste lächeln. »Ich schaffe das. Ich komme zurück.« Er wagte nicht länger zu warten, sodass er sich ohne ein weiteres Wort des Abschieds abwandte und Theres auf der Lichtung zurückließ.
    Hinter seinem Rücken streckte Theres die Axt nach ihm aus, als wollte sie sie ihm geben. Als Schutz. Aber Jerry war bereits in der Dunkelheit verschwunden, und zum ersten Mal, seit sie gefunden wurde, war das Mädchen allein in der riesigen Außenwelt.
    Es dauerte fünf Minuten, bis Jerry die Polizei angerufen hatte, nachdem er in das Haus zurückgekehrt war. Fünf Minuten, die er auf das verwendete, wofür er bislang noch keine Gelegenheit gehabt hatte. Er trauerte. Mit hängendem Kopf stand er reglos im Flur, während ein großer Klumpen in seinem Hals heranwuchs. Er ließ ihn wachsen, schmeckte an seiner Farbe und seiner Schwere.
    Mucksmäuschenstill, im Flur seines Elternhauses. Die vielen Male, die er sich in diesem Flur immer größere Schuhe angezogen hatte. Der Duft nach Brot und nach Essen aus der Küche. Fröhlich oder traurig, heimgekommen von der Tagesmutter oder der Schule. Nie wieder. Nie wieder dieses Haus, nie wieder seine Eltern.
    Der Klumpen stieg auf und senkte sich wieder in ihm. Er gab sich selbst fünf Minuten, um von allem Abschied zu nehmen. Er stand ganz still da. Er weinte nicht. Nach gut fünf Minuten ging er zum Telefon in der Küche, rief die 112 an und erklärte, dass er soeben nach Hause gekommen sei und seine Mutter und seinen Vater brutal ermordet worden seien. Er erkannte seine eigene Stimme nicht wieder.
    Er setzte sich auf einen Stuhl in der Küche. Während er auf die Polizei wartete, versuchte er sich zu überlegen, wie er sich verhalten sollte. Was er sagen sollte, war nicht so schwierig. Er hatte sie auf dem Fußboden des Kellers gefunden. Punkt, mehr wusste er nicht. Er war schockiert gewesen, und es hatte zwanzig Minuten gedauert, bis er die Polizei angerufen hatte.
    Ihn beunruhigte die fremde Stimme, die er aus seinem Mund gehört hatte. Wie sollte er sprechen, wie sollte er sich verhalten? Er beruhigte sich selbst damit, dass es vermutlich keine vorgegebenen Muster gab. Ein Doppelmord war wahrscheinlich keine Alltagskost für die Polizei von Norrtälje, sodass sie nichts hatte, womit sie es vergleichen konnte, nichts, das sein Verhalten als verdächtig erscheinen lassen könnte.
    Trotzdem erhob er sich von seinem Stuhl und ging auf den Hof hinaus, um dort zu warten. Ein normaler Mensch würde nicht in dem Haus sitzen wollen, in dem seine ermordeten Eltern lagen.
    Oder?
    Er wusste nichts, und seine einzige Hoffnung bestand darin, dass diejenigen, die sich jetzt näherten, ebenso wenig wussten.
    Wie er erwartet hatte, wurde er umgehend zum Hauptverdächtigen auserkoren und ins Untersuchungsgefängnis transportiert. Er wurde bis ins letzte Detail darüber verhört, unter welchen Umständen er seinen Vater und seine Mutter gefunden hatte, was er selbst an jenem Tag gemacht hatte.
    Er hatte gehofft, dass sie ihn nach ein paar Stunden laufen lassen würden, aber daraus wurde nichts. Die Leichen wurdenabtransportiert, und die Rechtsmediziner mussten ihre Arbeit machen und seine Angaben kontrolliert werden. Jerry musste die Nacht auf einer Pritsche im Untersuchungsgefängnis verbringen, wobei ihn die Trauer um seine Eltern und die Sorgen um Theres kein Auge zutun ließen.
    Mitten in der Nacht wurde er zu einem weiteren Verhör geholt. Es drehte sich um die Spuren eines Mitbewohners, die man im Keller gefunden hatte. Kleidung, Babygläschen und Löffel mit frischen Resten. Was wusste er davon? Er wusste nichts. Er besuchte seine Eltern nicht so oft, hatte keine Ahnung, was sie so machten.
    Weil er vorhergesehen hatte, dass diese Fragen kommen würden, und geahnt hatte, dass es Fingerabdrücke geben würde, gab er zu, dass er hin und wieder in seinem alten Zimmer gewesen sei. Er habe dort allerdings nie irgendeinen Bewohner bemerkt, kein einziges Mal. Das sei vollkommen neu für ihn, ein absolutes, verdammtes Rätsel. Was denn für ein Mitbewohner?
    Er wurde in seine Zelle zurückgebracht,

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