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Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Titel: Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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»Die Großen?«
    »Ja. Sie wissen, dass du hier wohnst.«
    In einer einzigen Bewegung war das Mädchen vom Bett herunter und hielt eine Axt in der Hand, die auf dem Boden gelegen hatte. Auch sie zeigte Benutzungsspuren. Sie kam auf Jerry zu.
    »Halt!«, sagte er. Theres blieb stehen. »Was hast du mit dieser Axt vor?«
    Theres hob die Axt an und ließ sie wieder sinken. »Die Großen.«
    Jerry wich einen Schritt zurück, bis er sicher war, dass er sich außerhalb ihrer Reichweite befand, und sagte: »Okay. Okay. Ich werde dich jetzt etwas fragen, und du wirst ehrlich antworten.« Jerry schnaubte verächtlich über seine eigene Dummheit. Hatte er Theres jemals lügen gehört? Nein. Er glaubte nicht, dass sie dazu überhaupt in der Lage war. Trotzdem war es eine Frage, auf die er eine Antwort bekommen musste. Er zeigte auf die Axt.
    »Willst du damit nach mir schlagen?«
    Theres schüttelte den Kopf.
    »Willst du mich zerhauen oder zerschneiden oder … mich auf irgendeine andere Weise auseinandernehmen?«
    Noch ein Kopfschütteln. Den Grund dafür, dass Theres im Hinblick auf ihn anders dachte als im Hinblick auf seine Eltern, könnte er später noch herausfinden. In diesem Augenblick brauchte Jerry nur die Gewissheit, dass er sich nicht in Lebensgefahr befand, solange er sich in ihrer Nähe aufhielt. Sicherheitshalber fügte er hinzu: »Gut. Denn wenn du irgendetwas mit mir machst, dann kommen die Großen und holen dich. Direkt. Schwuppdiwupp, verstehst du? Du darfst mich nicht mal berühren , klar?«
    Theres nickte, und Jerry wurde bewusst, dass alles, was er gerade ersponnen hatte, im Grunde die Wahrheit war. Er sah, wie Theres sich Schuhe anzog, und sorgte dafür, dass sie in seinem Gesichtsfeld blieb, als sie aus dem Zimmer gingen.
    Als er die Kellertür öffnete, blieb Theres wie angewurzelt stehen, weigerte sich, auch nur einen Schritt zu tun, und starrte mit großen Augen nach draußen in die Dunkelheit. Es half nichts, dass Jerry sie lockte und ermahnte. Also tat er stattdessen so, als würde er in die Nacht hinauslauschen, und flüsterte mit gespielter Angst: »Komm jetzt, Schwesterherz. Sie kommen, sie kommen. Ich kann ihre Maschinen hören!«
    Endlich lösten sich Theres’ Füße vom Boden, und Jerry musste zur Seite springen, als sie mit fest an die Brust gedrückter Axt auf die Türöffnung zustürmte. Sie lief bis in den Garten hinauf, wo sie sich mit panischer Hektik nach links und rechts umschaute. Jerry ergriff die Gelegenheit beim Schopf und lief mit ihr zum Wald hinüber.
    Aus seiner Zeit als kleiner Junge erinnerte sich Jerry, dass sich nach etwa fünfhundert Metern im Wald eine Lichtung befand, und mithilfe der Taschenlampe konnte er sie ausfindig machen. Die Zweige einer großen Eiche hingen über der Lichtung, und der Boden war von dem trockenen Laub des vergangenen Jahres bedeckt. Er zog den Schlafsack aus seinem Beutel, öffnete den Reißverschluss und zeigte Theres, wie sie in ihn hineinkriechen musste. Dann gab er ihr die Taschenlampe, das Brot und die Kaviarcreme.
    »Okay, Schwesterchen«, sagte er. »Du hast dir hier eine verdammte Suppe eingebrockt, und ich glaube nicht, dass wir da heil wieder herauskommen. Aber du musst hier bleiben, okay? Ich komme zurück, so schnell ich kann. Verstehst du?«
    Theres schüttelte energisch den Kopf und schaute sich ängstlich auf der Lichtung um, die von dunklen Fichtenreihen gesäumt war. »Nicht gehen.«
    »Doch«, sagte Jerry. »Ich muss. Ansonsten ist es aus mit uns. Wenn ich nicht gehe … Die Großen werden uns sonst alle beide holen. Ich muss zurückgehen und sie in die Irre führen. So ist es nun mal.«
    Theres schlang die Arme um die Knie und rollte sich zu einem Ball zusammen. Jerry kniete neben ihr nieder und versuchte ihren Blick zu fangen, aber es gelang ihm nicht. Er nahm die Taschenlampe und leuchtete sie an. Sie zitterte, als wäre es eisig kalt.
    Es hatte nie anders kommen können als so.
    Was er überhaupt nicht fassen konnte, war die Tatsache, dass er dies alles für so lange Zeit als normal betrachtet hatte. Dass er sich daran gewöhnt hatte, dass seine Eltern ein Mädchen im Keller hatten, ein Mädchen, das jetzt dreizehn Jahre alt war undnicht die geringste Ahnung von der Welt da draußen hatte. Dass dies ganz natürlich geworden war.
    Und jetzt musste er die Konsequenzen tragen. Ein zitterndes Mädchen, das er einsam im Wald zurücklassen musste, seine Eltern, die zerstückelt in ihrem Haus lagen. Er hätte es vor langer Zeit

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