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Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Titel: Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elli H. Radinger
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und nicht kontrollierbar. Vermutlich ist es genau das, was sie für so viele Menschen – auch für mich – so anziehend macht. Ich bin gern in der Wildnis und genieße es, bei meinen Wanderungen Gebiete zu durchstreifen, in denen ich keinem anderen Menschen begegne. Ich empfinde tiefen Respekt und Demut, wenn ich einen Blick in den Alltag der Wildtiere werfen und so ein wenig an ihrem Leben teilhaben kann.
    Rick McIntyre erzählte uns einmal von einem großen, ruhigen Mann, der einige Tage lang mit seiner Familie die Wölfe beobachtet hatte. Die Familie kam ins Gespräch mit Rick. Der Biologe erzählte eine Geschichte vom Druid-Leitwolf Nummer 21 M: In jedem Jahr testete der weibliche Wolfsnachwuchs aufs Neue seine Unabhängigkeit und ignorierte den Beschützerwillen des Vaters. Einmal waren den jungen Rüden aus dem Nachbarrudel die jungen Druid-Weibchen aufgefallen. Sie kamen ins Revier des alten Leitwolfes und versuchten, mit ihnen zu flirten. Der Vater machte nicht viel Aufhebens um die Eindringlinge. |213| Obwohl er sie leicht hätte töten können, geleitete er sie nur von seiner Familie fort. Er wusste, dass er das Werben nicht würde stoppen können.
    Schließlich, nach wochenlangem Hin und Her, kehrte eine der Töchter zurück. Sie war trächtig.
    Während Rick die Geschichte der Gruppe erzählte, frage er:
    »Hat irgendjemand von Ihnen Töchter im Teenageralter, die mit Jungs ausgehen, die Sie nicht leiden können?«
    Der ernsthafte Mann, der die ganze Zeit allein gestanden hatte, nickte heftig und offensichtlich amüsiert. Die Reaktion des Mannes machte Rick neugierig, und so ging er zu ihm und fragte:
    »Und, wie ist es bei Ihrer Tochter ausgegangen?«
    Der Mann verhielt sich so, als habe er die Frage nicht gehört. Die Zeit verging. Rick war irritiert. Er wusste nicht, was er tun sollte. Vielleicht hatte er unbeabsichtigt etwas Beleidigendes gesagt?
    Nach einer weiteren Pause wurde das Gesicht des Mannes weich, und Tränen standen in seinen Augen. In einem sanften Tonfall antwortete er, ja, er glaube, dass seine Tochter okay sei – letztendlich.
    Rick bemerkte, dass da noch etwas war, wollte ihn aber nicht drängen. Schließlich drehte sich der Mann um und ging fort, ohne ein Wort zu sagen.
    Ein anderer Mann aus der Familie, der das Gespräch mit angehört hatte, trat zu Rick. Er war außer sich vor Freude.
    »Ich weiß nicht, ob Sie bemerkt haben, was gerade passiert ist. Aber es ist erstaunlich«, sagte er dankbar.
    Er erzählte, dass die Tochter des Mannes große Probleme in ihrem Leben gehabt habe und schließlich als junges Mädchen gestorben sei. Der Vater hatte nach dem Schicksalsschlag mit niemandem mehr über sie gesprochen, noch nicht einmal mit Verwandten – bis zu diesem Tag.
    Die Begegnung mit den Wölfen und die Erfahrung, für kurze Zeit an ihrem Familienleben teilhaben zu können, hatte sein langes Schweigen beendet. Die Familie ließ Rick später |214| wissen, dass sie es nach diesem Erlebnis schließlich geschafft hätten, die Vergangenheit hinter sich zu lassen.
    Rick hatte schon öfter miterleben dürfen, welche Wirkung Yellowstone auf seine Besucher hat. Einigen hilft es, die Hektik des Alltags hinter sich zu lassen. Andere finden, während sie sich in die grandiose Landschaft vertiefen, einen tiefen, bislang ungekannten Sinn in ihrem Leben.
    So wie die Wölfe ein krankes Ökosystem geheilt haben, so heilen sie auch die Seelen der Menschen und füllen die Leere in ihnen. Es gibt kaum jemanden, der unberührt wieder nach Hause fährt.
    Wildnis ist ein Ort, der Trost bietet. Auch ich durfte schon einige Male diese heilende Wirkung erfahren. Innerhalb kurzer Zeit waren meine alte Hündin Lady und zwei gute Freunde gestorben. Ich trauerte lange. Trost fand ich, als ich zurück in Yellowstone war. An einem Ort, an dem ich fünfzig Millionen Jahre alte versteinerte Bäume berühren kann, in dem unter mir eine riesige Kammer aus glühender Magma brodelt, an einem solchen Ort fühle ich mich winzig und klein. Nicht geringer – im Gegenteil. Hier kann ich mich selbst im großen Plan der Dinge sehen, als Teil eines Ganzen. Das gibt mir immer wieder einen tiefen Frieden.
    Warum suchen wir Trost in der Natur? Warum fühlen wir uns so gut, wenn wir Tiere sehen, hören, riechen oder fühlen? Wenn wir einen Baum betrachten und den Duft von Blumen riechen? Wenn wir einem reißenden Fluss zuschauen oder auf einen ruhigen See blicken?
    Wenn ich draußen in der Natur bin, bin ich niemals allein

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