Wolfskuss - Handeland, L: Wolfskuss
gefallen. Aber ein Werwolf zu sein würde mir noch weniger gefallen.
Will räusperte sich. Ich sah ihn an. Er sah in Zees Richtung. Ich runzelte die Stirn und folgte seinem Blick.
Die Waffen lagen fast schon außer Sichtweite am Waldrand auf einem Haufen. Zee schien nicht zu wissen, dass sie dort waren. Gut.
Will und ich traten zu ihr ans Feuer. Sie verlor keine Zeit. Während die Indianer weitersangen und ein bisschen magische Erde in die Flammen warfen, sodass sie sich orange, dann karmesinrot und schließlich neonblau verfärbten, drückte Zee Will die Machete in die Hand. Sie hielt sein Handgelenk fest, während sie nach meinem griff.
Will und ich versuchten beide, uns zu wehren, aber es war sinnlos. Zee hatte die Kraft eines Werwolfs, nicht die einer kleinen, alten Dame. Ein schneller Streich über meinen Unterarm, und es war vorbei.
Oder vielleicht auch nicht. Sie zog uns beide näher ans Feuer, hielt meinen Arm über die Flammen, drückte den Schnitt zusammen, bis ein Strom roten Blutes das Totem überspülte und anschließend ins Feuer tropfte.
ZischendschossendieFlammenempor.IchschrieaufundstürzterücklingszuBoden,landetedabeisohart,dassmeineZähneaufeinanderschlugen.DieMachetesausteindieeineRichtung davon, Will in die andere. Aber meine Augen waren auf Zee fixiert.
Der Mond schickte einen hellen silbrigen Strahl durch die Bäume. Das Licht erfasste Zee und niemanden sonst, es überflutete ihr Gesicht und verwandelte ihre Haut in ein ätherisches Weiß, so als würde sie von innen heraus strahlen.
Zee zog das Totem aus dem Flammen und legte es sich um den Hals. Die Augen des Steinwolfs funkelten feuerrot. Mein Blut befleckte ihre Uniformbluse. Es war nicht wichtig. Die Bluse platzte auf, als sie sich verwandelte.
Der Gesang der Indianer wurde lauter. Die Wölfe begannen zu heulen. Mandenauer schrie etwas, aber ich konnte ihn nicht verstehen. Ich war unfähig, die Augen von Zee abzuwenden.
Ihre Verwandlung war anders als jene, die ich zuvor beobachtet hatte. Sie wurde nicht zu einem Wolf wie Clyd e – zumindest nicht vollständig. Stattdessen blieb sie aufrecht auf zwei Beinen stehen. Weißes Fell spross aus ihren Poren. Ihre Füße wurden zu Pfoten, aber ihre Hände blieben unverändert. Auf der Oberseite ihres Kopfes erschienen Ohren. Barthaare sprossen von ihrer Lippe; ihr Mund und ihre Nase veränderten sich nicht.
Ich blinzelte. Sie war zu einer Wolfsfrau geworden.
Als wäre im Himmel ein Schalter umgelegt worden, verschwand das silberne Licht des Mondes hinter einer Wolke. Die Indianer hörten auf zu singen. Auch die Wölfe verstummten. Zee wandte sich mir zu.
Verdammt, irgendetwas stimmte nicht.
Werwölfe hatten menschliche Augen, aber Zees Augen waren die eines Wolfs. Mit ihrem fellbedeckten Gesicht und den Reißzähnen, die sie beim Lächeln entblößte, war sie ein ziemlich abstoßender Anblick. Und erst der pelzbedeckte menschliche Körper. Sie drehte sich für mich, als würde sie ein neues Kleid vorführen.
„Äh, netter Schwanz“, brachte ich mit Mühe heraus.
„Danke.“
Sie hatte keine Ähnlichkeit mit dem Wolfsgott auf Cadottes Zeichnung, aber ich bezweifelte, dass der Künstler je einen gesehen hatte.
„Aufrecht gehen zu können ist gut“, murmelte Zee. „Und sprechen zu können.“ Sie wackelte mit den Fingern. „Daumen sind praktisch.“
„Darauf wette ich.“
Hinter ihr gab es eine blitzartige Bewegung, und einer der Wölfe knurrte. Zee drehte sich um, und Will stieß ihr die Machete in die Brust.
Alles, was ich tun konnte, war, schockiert zu blinzeln. Zee starrte auf den Messergriff runter; dann sah sie Will an. „Das soll wohl ein Witz sein?“
Sie griff nach der Machete und zog sie raus, dann warf sie das Ding in die Büsche. Ein widerlich schmatzendes, schlürfendes Geräusch drang aus ihrer Brust. Dann schloss sich die Wunde vor meinen Augen, noch bevor sie bluten konnte.
„Ich hab dir doch gesagt, dass sie praktisch sein werden.“ Sie wackelte mit ihren Daumen. Dann verpasste sie Will einen derart harten Schlag mit dem Handrücken, dass er der Machete hinterherflog.
Ich bemerkte erst, dass ich aufgesprungen war, um zu ihm zu laufen, als Zee mich am Arm packte.
„Nicht so voreilig.“ Sie beugte sich näher zu mir. „Wie wär’s mit einem kleinen Biss?“
Ich wich zurück; sie ließ mich los. Die Schusswaffen waren noch immer hinter ihr. Ich würde es nicht schaffen, an sie ranzukommen. Will war bewusstlos, vielleicht sogar tot.
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