Wolfslied Roman
Geschenk der Grey-Schwestern.«
Ich fasste in die Tasche und holte eine kleine Flasche heraus, in der sich ein selbst gemachter Wein zu befinden schien. Dann zog ich einen Pfefferkuchenmann heraus, eingewickelt in Wachspapier.
»Ich glaube, es muss etwas Magisches sein«, erklärte ich den anderen. »Meiner Meinung nach sollten wir es in gleiche Portionen teilen, zu uns nehmen und sehen, ob es den Zauber vielleicht brechen kann.«
Aufgebracht sagte Vasile etwas auf Rumänisch zu seiner Schwester, die ebenso erhitzt antwortete. Nach einigen schnell geäußerten Sätzen räusperte sie sich. »Vasile meint, dass wir nicht einfach nur untätig herumsitzen, Wein trinken
und Pfefferkuchen essen sollten, während unsere Welt von fremden Mächten erobert wird.«
»Außerdem haben die alten Frauen Ihnen das Geschenk gemacht«, gab Grigore zu bedenken. »Also ist es vielleicht auch nur für Sie bestimmt. Wenn wir alle ein bisschen davon essen und trinken, verliert es möglicherweise seine Wirkung - auch für Sie.«
»Ich würde vorschlagen, wir bleiben beim ursprünglichen Plan«, meinte Magda und schulterte ihr Gewehr.
Emmet schüttelte den Kopf. »Ich weiche nicht von Abras Seite.«
Seine Anhänglichkeit und Treue rührten mich zwar, aber selbst ich musste zugeben, dass Magda Recht hatte. »Ist schon in Ordnung, Emmet. Gehen Sie ruhig mit den anderen.«
»Ich protestiere! Ich werde hier eindeutig übergangen und zu den Schwächeren gezählt«, meldete sich Hunter erneut zu Wort. Kayla und ich rollten mit den Augen.
»Geh mit den anderen«, schlug ich vor. »Kayla und ich haben die Hunde. Uns wird nichts passieren.«
Zumindest gab sich Hunter für einen Moment den Anschein, als würde es ihm nicht leichtfallen, seine Exfrau und seine Exgeliebte im Stich zu lassen. »Wenn ihr wollt, dass ich bei euch bleibe …«
Das wollten wir nicht, und so zog er mit den anderen los. Mir wurde klar, dass er nicht einmal mehr die Beta-Position im Rudel innehatte, denn die war offenbar von Grigore übernommen worden.
»Also gut«, sagte Kayla und schlug eine Stechmücke tot, die sich auf ihrem Schenkel niedergelassen hatte. »Und was machen wir jetzt?«
Ich wickelte den Pfefferkuchenmann aus und drückte mit dem Finger leicht darauf. Weder kicherte er noch unternahm er den Versuch, das Weite zu suchen. Also hielt ich ihn unter meine Nase und roch daran. »Ich würde vorschlagen, wir essen das erstmal.« Also brach ich den Lebkuchen entzwei. »Füße oder Kopf?«
»Füße.«
Kayla nahm den unteren Teil des Pfefferkuchenmannes und ging dann in die Hocke. Mit ihrer hohen Stirn, der Stupsnase und den geröteten Apfelbäckchen wirkte sie geradezu unnatürlich gesund.
»Eigentlich habe ich dieses ganze Pfefferkuchen-Märchen nie so recht verstanden«, meinte sie. »Soll das etwas Kannibalisches nachahmen? Oder was?«
»Vielleicht geht es darum, einen Schwindler hinters Licht zu führen«, erwiderte ich. »Weißt du noch, wenn der Fuchs am Ende des Märchens den Pfefferkuchenmann dazu bringt, ihm auf den Rücken zu springen?«
»Stimmt«, sagte Kayla. Sie erschlug noch eine Stechmücke auf ihrem Oberarm und biss dann in den linken Fuß des Gebäckstücks. »Nicht schlecht. Etwas feucht in dieser Hitze, aber trotzdem«, meinte sie.
»Ich will ehrlich sein«, gab ich zu. »Ich habe Angst, das zu essen.«
»Den Pfefferkuchen?« Kayla biss noch ein Stück ab und kaute genüsslich.
»Ja. Ich würde lieber mit einem Gewehr rumballern oder selbst beballert werden, als das zu essen.«
»Noch nie Drogen genommen?«
»Doch. Als Kind hab ich aus Versehen mal LSD eingeworfen.« Schon darüber zu sprechen, machte mich nervös.
Ich betrachtete den Kopf des Pfefferkuchenmannes. »Wenn das hier auch nur annähernd etwas Ähnliches in mir auslöst, werde ich durchdrehen. Da bin ich mir sicher.«
»Dann gib mir den Rest«, schlug Kayla vor und streckte die Hand aus. »Hör zu, es ist nicht vergiftet. Vielleicht hat der Lebkuchen magische Kräfte, aber bei mir zeigt er bisher keinerlei Wirkung. Allerdings - wenn du so viel Angst hast, solltest du es besser bleiben lassen.«
»Nein, du hast Recht.«
Ich führte den Pfefferkuchen zum Mund und wollte gerade hineinbeißen, als ich noch einmal innehielt. Ich mochte keine Pfefferkuchen. Backwaren, aus denen man Puppenhäuser bauen konnte, waren meiner Meinung nach nicht unbedingt zum Verzehr geeignet. Entschlossen machte ich die Augen zu, als würde ich irgendein ekelhaftes Dschungelcamp-Essen wie
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