Wolfslied Roman
mir völlig egal«, erwiderte Marlene. »Sie bringt ständig irgendwas Totes mit nach Hause.«
Als sie sich bewegte, schlug mir eine Wolke abgestandenen Rauchs und eine billige Drogerieausgabe von Chanel No. 5 entgegen. Wäre ich ausschließlich menschlich gewesen, so hätte diese Mischung ausgereicht, um den üblichen Praxisgeruch aus Katzenurin, Chlor, Reinigungsalkohol und verängstigten Hunden zu überdecken. Wenn ich dagegen ausschließlich wölfisch gewesen wäre, hätte ich diesen Geruch zwar wahrgenommen, aber nicht weiter beachtet. Doch wie es der Zufall so wollte, befand ich mich gerade in der Mitte meines Monatszyklus, und das bedeutete, dass mir Marlenes Geruch sofort unangenehm auffiel und allmählich ziemlich auf die Nerven ging.
»Weshalb haben Sie Queenie dann zu mir gebracht?«, wollte ich wissen.
Ungeduldig klopfte Marlene mit ihren manikürten Fingernägeln auf den Operationstisch. »Weil ich glaube, dass sie trächtig ist.«
»Oh«, sagte ich verblüfft. Da hatte ich also schon wieder einen typischen Städter-Fehler begangen. In Manhattan wussten die wenigsten, dass es zu den größten Sehnsüchten eines Hundes gehört, sich in übelriechendem Aas zu suhlen. Experten zufolge tun sie das, um ihren eigenen Raubtiergeruch vor einer potenziellen Beute zu verdecken. Aber wenn man Hunden einmal bei diesem Vergnügen zugesehen hat, versteht man auch, welche Freude sie schlichtweg empfinden müssen, sich in etwas Unappetitlichem zu wälzen.
Natürlich wusste ich das auch aus persönlicher Erfahrung. Aber während der Arbeit versuche ich grundsätzlich nicht an diesen Teil meines Lebens zu denken. Alles zu seiner Zeit, lautet meine Devise.
»Und? Wollen Sie nicht nachsehen?« Marlenes Stimme
klang so rau, als wenn sie sich schon seit langem nur noch von Zigaretten und zerbrochenem Glas ernährte.
»Natürlich.«
Ich beugte mich vor, um Queenie zu betrachten, deren Zunge sofort über meinen Mund fuhr. Hastig drehte ich mein Gesicht so weit beiseite, dass es außer Reichweite war, und legte dann meine Hand auf ihren Bauch, um ihn abzutasten. Ihre Brustdrüsen waren eindeutig geschwollen. »Wollen Sie mit dem Züchten anfangen?«
»Garantiert nicht mit einem verdammten Kojoten.«
»Sie glauben also, dass sie von einem Kojoten trächtig ist?«
»Ich konnte sie heulen hören, und als ich rausging, um Queenie ins Haus zu holen, habe ich gesehen, dass ihre Leine durchgebissen war.«
Marlene erklärte mir nun umständlich, wie sie ihr hart verdientes Geld hingeblättert hatte, um Queenie mit einem reinrassigen Rottweiler zu paaren. Dieses Geld würde sie jetzt natürlich nicht zurückbekommen, nur weil die Hündin beschlossen hatte, sich mit einer dahergelaufenen Niete einzulassen, die noch nicht einmal von derselben Subspezies abstammte. Ich gab mir die größte Mühe, nicht laut loszuprusten, denn ich war mir nicht sicher, ob diese Tirade eigentlich mir oder doch eher der treulosen Queenie galt.
Das Lachen verging mir allerdings, als Queenie auf einmal zu wimmern begann. Sie sah Marlene mit einer gequälten Miene an, die sowohl tief verletzt als auch ziemlich verwirrt wirkte. Vermutlich hatte dieser Ausdruck eine größere Wirkung auf mich, als er das professionell betrachtet hätte tun sollen. Ich hatte ihn im vergangenen Jahr mehr als einmal selbst aufgesetzt, um die Fassungslosigkeit über meinen
lügnerischen, betrügenden und hinterhältigen Exmann zu demonstrieren, der mich zu allem Überfluss auch noch mit einem Virus angesteckt hat, den er in den Karpaten bei einer seiner vielen Reisen aufgeschnappt hatte.
Wahrscheinlich hatte auch ich nicht wesentlich mehr Köpfchen gezeigt als jetzt Queenie, die offensichtlich nicht begriff, was sie falsch gemacht hatte, da sie doch lediglich ihren Instinkten gefolgt war. Bestimmt war sie auch nicht in der Lage, eine Verbindung zwischen dem schon lange zurückliegenden Nachmittag mit Mr. Wile E. Coyote und der Wut zu knüpfen, die ihr Frauchen augenblicklich an den Tag legte. Ich kraulte Queenie einen Moment lang ihren wulstigen Hals. Während meine Finger über das kurze schmutzige Fell strichen, überlegte ich, warum es eine Frau, die die Zeit fand, Blumenabziehbildchen auf ihre Nägel zu kleben, wohl für unnötig hielt, ihren Hund kurz abzuspritzen, ehe sie ihn zum Tierarzt brachte. Lag ich mit meiner nächsten Schlussfolgerung ganz falsch, anzunehmen, dass sie ihren vierbeinigen Kumpanen vielleicht auch in anderer Hinsicht vernachlässigte?
Ich
Weitere Kostenlose Bücher