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Wolfslied Roman

Wolfslied Roman

Titel: Wolfslied Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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nötig ist, um zu einer Vereinbarung zu kommen.«
    Dann holte ich tief Luft, zog meine Haarspange heraus,
mit der ich die Haare in einem Pferdeschwanz zusammengehalten hatte, und breitete sie über meinem Körper aus. Als ich mich schließlich so gut wie möglich damit zugedeckt hatte, wickelte ich mich aus der Decke. Ich setzte alles auf eine Karte. Insgeheim hoffte ich, dass ein nacktes Opfer besser wirken würde als eines, das in eine Decke gewickelt war.
    Bruin trat zu mir und musterte mich. Das Messer in seiner Hand funkelte. »Was willst du?«
    »Noch eine Chance. Für die Stadt. Für uns. Hier ist mein Vorschlag: Wir halten die alte Pfade für euch offen und reißen alles ein, was darauf gebaut wurde. Zudem verbieten wir, dass dort jemals wieder gebaut wird.«
    Bruin betrachtete das Messer. Er dachte nach. »Und du würdest dein Leben dafür geben?«
    »Dafür würde ich mein Blut opfern.«
    Wenn mein Herz allerdings weiterhin so heftig pochte, würde ich mehr Blut opfern, als ich eigentlich vorhatte. Ich holte mehrmals tief Luft, um mich zu beruhigen.
    Der Bärenmann kam noch einen Schritt näher. »Blut willst du geben, aber nicht dein Leben? Interessant.«
    Ich hob eine Hand. »Warte«, sagte ich mit einer unnatürlich hohen Stimme. Ich hatte es aufgegeben, mein Herz beruhigen zu wollen. Aber zumindest wollte ich die Sicherheit, dass Bruin mich nicht einfach abschlachtete. »Da ist noch etwas. Ich will auch die Möglichkeit, mich mit Red zu vermählen.«
    Mit seinem Daumen berührte er die Messerspitze. »Das ist nicht meine Entscheidung.« Er räusperte sich. »Außerdem weiß ich nicht, ob es dafür nicht schon zu spät ist. Aber wir können es versuchen.«

    »Einverstanden.«
    Daraufhin hielt er seine Hand mit dem Messer über mich. Lilliana schnappte vor Schreck nach Luft, sagte aber nichts. Vielleicht konzentrierte sie ihre Kraft darauf, friedliche Gedanken zu senden. Oder sie stand unter Schock. Ich konnte nur beten, dass meine erste Vermutung die richtige war.
    Red packte Bruin am Arm, ehe dieser das Messer an meinen Körper führen konnte. »Nein«, sagte er. » Ich werde das tun.«
    »Bist du dir sicher?« Der Bärenmanitu zögerte.
    Red streckte ihm als Antwort nur seine offene Hand entgegen. Kurz blickten die beiden einander an. Dann reichte ihm Bruin das Messer.
    Diesmal gehörte die Hand, die das Messer über mich hielt, zu einem Freund und Geliebten. »Bist du dir wirklich sicher, Doc? Das wird nicht nur ein Kratzer sein. Dazu ist die Sache zu wichtig.«
    »Ich weiß.«
    Inzwischen schien er innerhalb weniger Minuten um Jahre gealtert zu sein. Im grünlich flackernden Licht der Fackeln sah er wie ein Mann aus, der eine schwere Chemotherapie hinter sich hatte oder gerade aus einem Internierungslager entlassen worden war. Er drehte meinen Kopf zur Seite und hob dann erneut das Messer.
    Ein furchtbarer Gedanke schoss mir durch den Kopf. Etwas an der Geschichte, die Bruin mir erzählt hatte, kam mir auf einmal bekannt vor, was für sich genommen noch nicht ungewöhnlich war. Wir befanden uns schließlich im Reich der Märchen und Mythen, wo sich Themen und Motive verschiedener Kulturen und Zeiten miteinander vermischten.
    Am Schluss des Märchens Die kleine Meerjungfrau , das
mir meine Mutter als Kind vorgelesen hatte, beugte sich die Meerjungfrau über ihren treulosen Geliebten, den Prinzen. Wie Red hatte auch sie ihr - für einen Menschen unnatürlich langes - Zauberleben geopfert, um eine unsterbliche Seele zu erlangen. Doch der Prinz hatte eine andere geheiratet, so dass die Meerjungfrau dem Tod anheimfallen musste - es sei denn, sie tauschte sein Leben gegen das ihre. Danach musste sie ihre Beine mit seinem Blut bespritzen, um so ihren Fischschwanz zurückzubekommen.
    Der Mondstein um meinen Hals signalisierte mir deutlich, dass die Geschichte nicht nur ein Märchen war. Wenn Red mich tötete, konnte auch er sich wieder in einen Kojoten zurückverwandeln.
    »Es tut mir so leid. Aber es ist nicht anders möglich«, sagte er und ließ das Messer nach unten sausen.
    »Das hier wird dir noch viel mehr leidtun«, knurrte eine heisere John-Wayne-Stimme, die vom Eingang der Höhle herübertönte.
    Ich drehte den Kopf zur Seite und erblickte den Sheriff. Er hatte ein Gewehr auf Bruin gerichtet. Ihm folgte Malachy, der die anderen mit einer Pistole in Schach hielt. Es war tatsächlich Malachy - eingefallen und spöttisch lächelnd wie immer - und nicht Knox, der zuerst Magda und die anderen

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