Gefechte der Liebe: Roman (German Edition)
Prolog
L eonard Kastner hatte darüber nachgedacht, endgültig in den Ruhestand zu gehen. Er hätte mehr tun sollen, als nur darüber nachzudenken. Der Zeitpunkt war richtig. Er hatte mehr Geld verdient, als er sich jemals hätte träumen lassen, nur indem er seine Talente genutzt hatte. Er stand auf dem Höhepunkt seiner Karriere, hatte durchweg Erfolge vorzuweisen und niemals einen Auftrag abgelehnt. Seine Kunden wussten das. Details waren nicht wichtig. Meistens rückten die Kunden erst damit heraus, nachdem er einen Auftrag angenommen hatte. Doch seine Arbeit war ihm zunehmend zuwider, was seine Souveränität beeinträchtigte. Wenn einem alles egal war, spielte nichts eine Rolle. Wenn man begann, sich über seine Tätigkeit Gedanken zu machen, dagegen schon.
Er war schon seit langem sehr wohlhabend, er musste nicht länger Risiken eingehen und schon gar nicht diesen einen bestimmten Auftrag annehmen. Aber man hatte ihm dafür so viel Geld geboten, dass er nicht ablehnen konnte – mehr, als er in den letzten drei Jahren verdient hatte, und die Hälfte davon sogar im Voraus. Kein Wunder, dass die Summe so hoch war! Es handelte sich wieder einmal um einen dieser ganz besonderen Jobs, für den der Lakai, der ihn angeheuert hatte, von Leonard zuerst eine definitive Zusage haben wollte, bevor er ihn aufklärte, was eigentlich von ihm verlangt wurde.
Noch niemals war er beauftragt worden, eine Frau umzubringen. Und jetzt sollte er seine Karriere gar mit einem noch schlimmeren Verbrechen abschließen, nämlich mit der Ermordung eines Kindes. Um genau zu sein, ging es nicht nur um irgendein Kind, sondern um die Erbin der Krone. Ein politischer Mord? Rache an König Frederick? Man hatte es Leonard nicht mitgeteilt, und es war ihm auch egal. Irgendwo auf dem Weg hatte er seine Menschlichkeit verloren. Die Angelegenheit stellte einfach nur einen weiteren Auftrag dar. Das musste er sich selbst immer wieder sagen. Er hatte nicht vor, seine Karriere mit einem Misserfolg zu beenden. Dass die Sache ihm zuwider war, lag lediglich daran, dass er seinen König mochte und sein Land liebte. Aber der König würde weitere Erben zeugen, wenn er seine Trauer überwunden und wieder geheiratet hatte. Er war immer noch ein junger Mann.
Tagsüber in König Fredericks Palast zu gelangen, war einfach. Die Eingangstore zum Schlossgarten der alten Festung, die sich hoch über der Hauptstadt Lubinia erhob, waren selten geschlossen. Sie waren zwar bewacht, aber nur wenigen Besuchern wurde der Eintritt verweigert, nicht einmal, wenn der König gerade in seiner Residenz weilte. Was momentan aber nicht der Fall war. Er hatte sich direkt nach dem Begräbnis der Königin vor vier Monaten in sein Winterchalet in den Bergen zurückgezogen, um in Ruhe und Frieden zu trauern. Sie war nur ein paar Tage, nachdem sie ihm den Thronerben geschenkt hatte, gestorben, den nun jemand tot sehen wollte.
Leonard wäre am Tor aufgehalten worden, hätte er auch nur einen winzigen Hinweis darauf gegeben, wer er war, aber das tat er nicht. Er hatte einen schändlichen Ruf, allerdings nur unter seinem falschen Namen Rastibon. In seinem Heimatland sowie in zahlreichen Nachbarländern war ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. Aber niemand wusste, wie Rastibon eigentlich aussah. Darauf hatte er stets sorgfältig geachtet: Er trug immer eine Kapuze, traf seine Kontaktpersonen nur in dunklen Gassen und verstellte seine Stimme, wenn es nötig war. Er hatte vor, sich hier in seinem eigenen Land zur Ruhe zu setzen, ohne dass irgendjemand einen Verdacht hegte, auf welche Weise er zu seinem Reichtum gekommen war.
Er lebte in einer wohlhabenden Gegend in der Hauptstadt. Sein Vermieter und die Nachbarn waren nicht übermäßig neugierig, und wenn man ihn nach seiner Arbeit fragte, deutete er an, im Weinexport tätig zu sein, um seine häufigen Auslandsaufenthalte zu erklären. Mit Wein kannte er sich aus. Über Wein hatte er einiges zu sagen. Aber er betonte stets, dass er keine Zeit für müßiges Geschwätz hatte, also hielt man ihn in der Regel für einen unfreundlichen Gesellen und ließ ihn in Ruhe, was ihm auch am liebsten war. Ein Mann mit seiner Profession konnte sich nicht erlauben, Freunde zu gewinnen, außer, sie waren im selben Bereich tätig. Und selbst dann hätte der Konkurrenzkampf dies erschwert.
Es war nicht einfach, in den Trakt zu gelangen, in der sich die Kinderstube befand, doch Leonard war erfinderisch. Er entdeckte, welche Kinderfrauen sich um Fredericks
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