Wolfsruf

Titel: Wolfsruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.P. Somtow

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Rock erbebte.
    »Schau nicht zurück«, sagte Teddy. »Ich schätze, die Welt räumt gerade die letzten Trümmer deines Traumes fort.«
    Sie ritten los.
    Die Erde verschlang die Toten.
    Der Winter kam, und der Schnee wusch das trockene Blut vom Felsen und legte sich wie ein Leichentuch über die Ebene.

Epilog
    WEEPING WOLF ROCK

1
1963: Winter Eyes
    Vollmond

    Und dann überfiel mich Dr. La Loge mit seiner »Konfrontationstherapie«-These.
    Es war an jenem Tag, an dem mir J. K. die ganze Geschichte des fehlgeschlagenen Mondtanzes erzählte, an dem ich endlich verstand, welche Rolle Preston und ich bei der Neuauflage des Dramas zu spielen hatten. Jetzt glaubte ich ihm alles. Als er mir den Mondtanz beschrieb, sah ich alles so deutlich vor mir, als wäre ich Speranza Martinique … Hope Martin … Hope Dupré … meine Urgroßmutter.
    La Loge zog mich im Gang beiseite. J. K. war in seinem Zimmer und bis unter die Schädeldecke sediert. Der Psychiater packte mich am Ärmel, führte mich in sein Büro, drückte mich in einen Stuhl und erklärte mir seinen großartigen Plan - nichts weiter als eine Neuauflage von Speranzas Tod.
    »Diese Mondzyklen sind wirklich mysteriös«, sagte er und schaute mir aufmerksam zu, wie ich die letzte Zigarette meines zweiten Päckchens an diesem Tag anzündete. »Ich bin kein Astronom und verstehe nicht, wie sie den Tag des Mondtanzes errechnen, aber es hat irgendetwas mit den Planeten zu tun, die in einer bestimmten Konstellation stehen müssen. Der Witz daran ist, dass er manchmal mehrmals hintereinander stattfindet, während ein andermal Jahrzehnte vergehen … jedenfalls kennt J. K. instinktiv den richtigen Zeitpunkt.«
    »Ich weiß.« Natürlich wusste ich das. Ich spürte es selbst manchmal. Ich wusste, dass sogar ich, die kaum etwas von Scott Harper im Blut hatte, mich vielleicht verwandeln könnte. Ich träumte jede Nacht davon.
    »J. K. kam in dieser Nacht im Jahre 1885 einer Fusion seiner
Persönlichkeiten sehr nahe«, dozierte La Loge aus seinen Notizen. »Aber Speranzas Tod riss ihn aus dem Prozess. Die Familie Grumiaux kümmerte sich lange Jahre um ihn, aber während der Depression wurde die Belastung für sie zu groß; Theodore Grumiaux war längst gestorben, bei einem Zugunglück, glaube ich; Jonas wurde zur dominanten Persönlichkeit. Für Jonas stellte Cordwainer Claggart eine Vaterfigur dar, und natürlich versuchte er, in dessen Fußstapfen zu treten, daher die unerklärlichen psychosexuellen Morde in Laramie … zur gleichen Zeit machte man die Entdeckung, dass J. K. der rechtmäßige Erbe eines kleinen Vermögens war … alles in der Stadt war ihm vom Grafen von Bächl-Wölfling in einem Testament vermacht worden, das man entdeckte, als die Leiche exhumiert und in das wallachische Familienmausoleum überführt wurde. Das Testament war unanfechtbar. Das Szymanowski-Institut, dessen Besitzer im Grunde J. K. ist, nahm seine Interessen wahr und …«
    Ich hörte ihm nicht länger zu. Jetzt bewegten wir uns auf vertrautem Boden. »Etwas anderes macht mir Sorgen, Dr. La Loge«, sagte ich. »Was wäre gewesen, wenn Speranza nicht getötet worden wäre? Es stimmt, dass Johnny seine Persönlichkeiten vereint hätte, aber hätte Speranza J. K. nicht im gleichen Augenblick getötet? War das nicht der Zweck der ganzen Übung?«
    »Nun, vielleicht … aber nachdem eine Fusion stattgefunden hat, braucht der Patient doch nicht mehr getötet zu werden! Ein gesunder Mensch wird den bizarren Halluzinationen, unter denen er während seiner Krankheit litt, keine Beachtung mehr schenken … den größenwahnsinnigen Ideen, der seltsamen Einbildung, er sei eine Art Messias der Werwölfe. Ein rationaler Mensch kann ohne solche Illusionen leben, meinen Sie nicht auch?«
    »Rational! Wir sprechen über einen Werwolf, um Himmels willen … ein übernatürliches Wesen …«

    »Nichts im Universum ist übernatürlich«, erklärte Dr. La Loge mit einer überheblichen Sicherheit, die mich an einen wahnsinnigen Wissenschaftler aus einem schlechten Horrorfilm erinnerte. Preston kam in dieser Nacht zu mir. Er hatte eine in Geschenkpapier verpackte Schachtel dabei. Er stand an der Tür zu meinem Zimmer; ich wusste nicht, ob er hereinkommen wollte oder nicht.
    »Fröhlichen Mondtanz«, sagte er trocken.
    »Soll ich es aufmachen?«, fragte ich.
    »Warte, bis ich fort bin. Vielleicht kannst du es als Dildo nehmen … nachdem ich dir nicht mehr behilflich sein kann.«
    Ein Anflug des alten