Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
Männerparfüm.
«Wo ist Giorgio?», stammelte Enzo Leone. «Elsa wollte mir Angst einjagen, nicht wahr? Wer sind Sie überhaupt? Was machen Sie hier mitten in der Nacht?» Er verschliff die Worte, war offensichtlich ziemlich betrunken.
«Wo is’ Giorgio?», wiederholte er hartnäckig. «Was hat Elsa mit ihm gemacht?»
Als Tommasini aus der Dunkelheit auftauchte, schrak Leone erneut zusammen.
«Ich hab nichts getrunken!», lallte er. «Ihr könnt mich nicht einfach einsperren. Ich will zu Giorgio!»
«Der ist hinüber, Commissario.» Tommasini griff nach dem anderen Arm des jungen Mannes, um ihn auf den Beinen zu halten.
«Wo waren Sie heute Abend?» Guerrini versuchte es trotzdem und widerstand dem Impuls, den Betrunkenen zu duzen.
«Ich muss gar nichts sagen, überhaupt nichts, verstanden! Ich war nicht da, und basta! Giorgio hat euch geschickt, jetzt weiß ich’s! Er will immer wissen, wo ich bin.»
«Sollen wir ihn mitnehmen, Commissario?»
«WegenTrunkenheit am Steuer? Das Protokoll schreibst du!»
«Wir können ihn auch ins Bett bringen …», erwiderte Tommasini schnell. «Er schläft garantiert sofort ein. Den Autoschlüssel behalten wir.»
«Dann ist immer noch Altlanders Wagen in der Garage.»
«Die versiegeln wir!»
Guerrini musste lachen.
«Keine Lust auf Protokoll, was? Also bringen wir ihn ins Bett.»
Als sie zehn Minuten später nach Siena zurückfuhren, hatte Guerrini das sichere Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben. Zwar hatten sie Haustür und Garage versiegelt … Er war zu müde, um genauer darüber nachzudenken.
Halb fünf. Alle Tauben Sienas begannen gleichzeitig zu gurren, alle Spatzen gleichzeitig zu tschilpen, als Guerrini sich endlich auf sein Bett fallen ließ. Er schaffte es gerade noch, seine Schuhe abzustreifen und den Gürtel seiner Jeans zu öffnen. Bereits im Halbschlaf, wurde er selbst zur Taube und stieg in einer gurrenden Wolke zum Himmel auf. In dieser Wolke schlief er tief und fest, bis das sanfte Gurren von einem höchst unangenehmen Schrillen gestört wurde. Blind tastete er um sich, stieß das Telefon um, fand es halb unter seinem Bett wieder, hoffte, dass es zu schrillen aufhören möge, aber es hörte nicht auf. Endlich hielt er es richtig herum in der Hand, drückte auf den Knopf und horchte einfach.
«Commissario?»
Guerrini sagte nichts.
«Commissario? Sind Sie da? Ist alles in Ordnung?»
«Nein!», antwortete Guerrini heiser.
«Was ist los, Commissario? Sind Sie krank?»
«Nein! Wer spricht da überhaupt.»
«Capponi, Spurensicherung. Ich habe gestern Nacht das Arbeitszimmer des Mordopfers versiegelt, Commissario.»
«Vielleicht ist es ja gar kein Mordopfer», murmelte Guerrini und versuchte wach zu werden.
«Wahrscheinlich aber schon, Commissario. Mir ist sehr unangenehm, was ich Ihnen jetzt sagen muss. Das Siegel ist aufgebrochen worden.»
«Das am Arbeitszimmer?»
«Ja, das auch.»
«Welches noch?»
«Das an der Haustür und das am Fenster des Arbeitszimmers.»
Guerrini massierte seinen Nacken.
«Fehlt was?»
«Wir wissen es nicht, Commissario!»
«Aber jemand, der ein Siegel verletzt, sucht doch etwas?»
Jetzt schwieg Capponi, räusperte sich dann und sagte mit belegter Stimme: «Vermutlich, Commissario, aber wir wissen nicht, was.»
«Habt ihr die Sachen auf dem Schreibtisch ins Protokoll aufgenommen?»
«Es war spät, Commissario. Wir dachten ja, dass wir am Morgen wiederkommen würden …»
«Bravo!»
«Wie meinen, Commissario?»
«Bravo! Ist das so schwer zu verstehen?»
«Nein, Commissario.»
Guerrini schaute auf die Uhr neben seinem Bett. Zwanzig nach zehn.
«Wieso ist das Siegel am Fenster aufgebrochen?»
«Da steht eine Leiter, und ein Fenster ist eingedrückt.»
Schweigen.
«Commissario, sind Sie noch da?»
«Jaja. Habt ihr schon was von diesem Enzo Leone gesehen, der im Gästehaus wohnt?»
«Nein, Commissario. Er scheint noch zu schlafen. Sein Wagen ist da.»
«Lasst ihn nicht weg! Hast du verstanden, Capponi? In einer Stunde bin ich bei euch!»
«Sì, commissario!»
Ein paar Minuten blieb Guerrini flach auf dem Rücken liegen und starrte an die Decke. Trotz seines spontanen Ärgers über Capponi und sich selbst fand er die Situation eher komisch. Sie alle hatten die Sache zu leicht genommen. Andererseits – je komplizierter dieser Fall sich entwickelte, desto wahrscheinlicher wurde die Notwendigkeit deutscher Ermittlungshilfe. Aber war Altlander überhaupt aus München? Je schneller er das
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