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Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt

Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt

Titel: Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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verliere, dachte sie, während sie mit kräftigen Strichen ihr Haar bürstete. Und manchmal macht mir das Angst.

    Als Luca zur Schule gegangen war, legte Laura sich noch einmal hin, konnte aber nicht mehr einschlafen. Immer wieder kreisten ihre Gedanken um den Tod des alten Mannes, der gerade einmal neun Jahre älter als ihr eigener Vater gewesen war. Ein dicker alter Mann, Typ gemütlicher Bayer, mit grauem Schnurrbart, rundem Schädel und Glatze, einem beeindruckenden Bierbauch. Er hatte auf dem Boden gelegen, mit einer Schulter an den Wohnzimmerschrank gelehnt, seitlich zusammengekrümmt, und er hatte erschrocken ausgesehen. Der Kanarienvogel im Käfig am Fenster hatte laut gesungen, und in der Kaffeetasse auf dem Tisch waren noch ein paar Milliliter Gift übrig geblieben. Es gab keinen Hinweis auf einen Kampf oder Raub, keine Fingerabdrücke außer denen des alten Mannes und der Leute vom Essen auf Rädern. Lauras Kollege Peter Baumann plädierte inzwischen dafür, die Geschichte als Selbstmord abzuhaken. Laura kannte das von ihm. Manchmal fehlte ihm einfach die Lust, tiefer in einen Fall einzusteigen. Es mangelte ihm an einer gewissen Vorstellungskraft, die über naheliegende Motive hinausging.
    «Alter Mann, einsam, eher arm, Witwer, keine Kinder, nicht mal schwul. Also, wer sollte so jemanden umbringen?», hatte er gefragt. Und selbst der Staatsanwalt fand Baumanns Argumente einsichtig.
    Widerwillig stand Laura auf, zog die Vorhänge zurück und blinzelte auf ihre kleine Straße hinunter. Der griechische Gemüsehändler stapelte riesige Löwenzahnbüschel übereinander. Eine rothaarige alte Frau zerrte einen fetten Hund an der Leine hinter sich her, und die Sonne verschwand gerade hinter einer dunklen Wolke. Sonst war nichts los.
    Am Schwarzen Brett in der Küche betrachtete sie die lange Liste der wichtigsten Dinge, die sie an freien Tagen zu erledigen hatte. Da stand eigentlich nichts, wozu sie Lust hatte. Und doch sollte sie sich zum Beispiel demnächst mit der Steuererklärung befassen, mit Sofias Mathelehrer sprechen, Zahnarzttermine für die ganze Familie ausmachen, einen Großeinkauf organisieren, um die Vorräte aufzufrischen.
    Was sagte Angelo Guerrini in solchen Fällen? Das deutsche Pflichtbewusstsein tickt schon wieder in deinem Kopf. Ich kann es hören!
    Laura lauschte. Es tickte tatsächlich, aber das war die Küchenuhr. Trotzdem beschloss sie, ein Bad zu nehmen und die Liste zu ignorieren.
    Als sie sich zehn Minuten später im warmen Wasser ausstreckte, war sie ziemlich stolz auf sich, obwohl es nach kurzer Zeit wieder zu ticken begann. Diesmal war es nicht die Küchenuhr, sondern ihr Kopf, und wieder sah sie den alten Mann vor sich, dachte an die Geheimnisse eines so langen Lebens und daran, dass er einer Generation angehörte, die besonders viele dunkle Geheimnisse hütete. Wie alt war er bei Kriegsende gewesen? Mitte zwanzig? Aber in seinen Unterlagen stand nichts darüber, dass er Kriegsteilnehmer gewesen war.
    Laura schloss die Augen und atmete den warmen Salzduft ein, der von ihrem Bad aufstieg, dachte Kriegsteilnehmer, wendete dieses Wort hin und her und wunderte sich über seine vermeintliche Harmlosigkeit, als könnte man an einem Krieg einfach so teilnehmen oder sich seinen Teil des Kriegs nehmen. Seltsam, dass in manchen Todesanzeigen noch heute stand, der Verstorbene sei Kriegsteilnehmer gewesen. Nicht Beamter oder Metzgermeister, sondern Kriegsteilnehmer, als wäre es das einzig wichtige Ereignis in seinem Leben gewesen. Aber vielleicht war es das sogar, und die sechzig Jahre danach zählten viel weniger.
    Plötzlich erinnerte sie sich an die blitzenden Augen eines entfernten Verwandten ihres Vaters, der regelrecht aufblühte, wenn er vom Krieg erzählte. Von diesem erhebenden, aufregenden Augenblick, als er zum ersten Mal Berlin betrat, er, der Junge vom Dorf, der noch nie eine Großstadt gesehen hatte. Irgendwie hatte er es geschafft, nur die positiven Seiten dieser Zeit im Gedächtnis zu behalten. Alles andere – das Grauen, die Entbehrungen, Ängste – all das war von einer partiellen Amnesie vernebelt worden.
    Laura schöpfte mit ihren Händen Wasser und ließ es über ihr Gesicht laufen. Was also hatte der Mann während des Krieges gemacht, wenn er nicht Soldat gewesen war? War er krank gewesen? Oder aus irgendeinem Grund in der Heimat unabkömmlich? Später hatte er als Hilfsarbeiter auf dem Bau gearbeitet und mit seiner Frau zusammen eine Hausmeisterstelle in einer

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