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Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition)

Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition)

Titel: Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gray
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Manchmal kann ich das Meer immer noch hören, wie es ein paar hundert Meter von unserem Haus an den Dünen leckt.
      Mein Vater war Lette, meine Mutter Russin und Jüdin. Mir selbst war Religion immer gleich. Vater war Arzt. Aus ganz Russland kamen Leute zu ihm, um sich ihre verunglückten Knochen richten zu lassen. Ich weiß noch wie meine Mutter stolz jedem der es hören wollte verkündete, ich hätte seine goldenen Hände geerbt. Damals wohnten wir noch in dem großen Haus am Meer. Mit vierzig wurde Vater Professor in Petersburg. Er war ein einfacher Mann: er glaubte an Gott, die Zukunft und den Zaren. Irgendein Rotarmist hat ihn im Sommer 1919 erschossen. Wahrscheinlich ist er nicht mal verscharrt worden, sondern fütterte auf irgendeinem Kornfeld wilde Hunde. Zwei Sommer und Winter hatten wilde Hunde in Russland ein herrliches Leben. Kadaver soweit das Auge reichte. Doch ein Jahr darauf kam der wirklich große Hunger und die wilden Hunde landeten selbst in Kochtöpfen.
      Meine Mutter nahm die Revolution pragmatisch und packte das Wenige, was noch übrig war, in zwei Koffer und bestieg einen Zug nach Wien. Wir hatten noch ihren Schmuck und ein paar hundert englische Pfund auf einer deutschen Bank. Das reichte, um mich in München Medizin studieren zu lassen.
      Ich habe einmal für den Gegenwert von ein paar lächerlichen Schilling ein Champagnerfrühstück veranstaltet, während nur zwei Ecken weiter die Leute den Preis für ein halbes Brot dem Bäcker nicht auf den Ladentisch zählten, sondern in Bündeln in eine Waagschale warfen, wo sein Gewicht gegen das des Brotes abgewogen wurde.
      Meine Mutter starb bevor ich mein Studium beendet hatte. Trotz der Diagnosen, die ich selbst gestellt hatte, glaube ich immer noch, dass sie im Grunde an gebrochenem Herzen gestorben ist. Vater war tot, und Russland, wie sie sagte „unter die Räuber gefallen“. Es gab nichts mehr, für das es sich für sie zu leben gelohnt hätte.  Das ist das Leben. Die Zeit bleibt nicht stehen nur weil irgendjemand stirbt.
      Ich stürzte mich in meine Arbeit. Und keine zwei Wochen nach dem Examen trat ich meine erste Stelle an. Schien, als habe die Zukunft nur darauf gewartet, gelebt zu werden. Erst recht, seit ich ein Jahr darauf von München nach Berlin wechselte. Ich arbeitete wie besessen, träumte ab und an von einem Stipendium in Amerika und heiratete schließlich die begehrenswerteste Frau, die ich bis dahin je gesehen hatte. Soweit zu den glücklicheren Tagen.
      Als ein paar Monate später die Nazis die Macht übernahmen verlor ich meine Stellung. Vor dem Gesetz galt ich als Jude, obwohl nur meine Mutter als Jüdin geboren worden war und ich  mein Leben lang nie eine Synagoge von innen gesehen hatte. 
      Dann starb auch noch meine Frau. In Deutschland hielt mich nichts mehr. Ich versuchte mein Glück in Paris.
      Ich wohnte in einem Hotel, das nicht viel anders aussah, als das in dem Du arbeitest. Nur die Klos lagen auf halber Treppe, und die Waschgelegenheit teilte ich mir mit drei anderen Emigranten: einem unglaublich dürren Armenier, einem schweigsamen Deutschen und einer Russin, deren Schneidezähne ausgeschlagen waren und die Tag für Tag dasselbe zerschlissene Kleid aus Brüssler Spitze trug. Einmal in der Woche bekam sie Besuch von einem dicken Spanier, an dem sie das Geld für die Zimmermiete abarbeitete. Die Kinder auf der Straße riefen ihr „Alte Hexe!“  hinterher. Dabei kann sie gerade mal dreißig gewesen sein.
      Von irgendetwas muss man leben. Dafür, dass ich in Berlin und München bei angesehenen Ärzten gearbeitet hatte, gab mir in Paris keiner irgendwas.
      Damals war Paris voll von Emigranten. Ärzte, gute wie schlechte, gab es darunter zuhauf. Ich habe Chirurgen für ein paar lausige Sou in den Großmarkthallen Schweinehälften zerteilen sehen. Das bisschen Geld, das ich aus Deutschland gerettet hatte, war schnell aufgebraucht. 
      Eines Tages klopfte eines der Mädchen aus dem Hotel, in dem ich wohnte an meine Tür, fragte, ob ich tatsächlich ein Doktor sei. Als ich es ihr bestätigte legte sie ihre Hand auf den Bauch, sah mich herausfordernd an und sagte „Mach es weg, Doktor!“ 
      So wurde ich Engelmacher. Zuerst schabte ich nur den Mädchen in meinem Hotel die Betriebsunfälle aus. Doch sie alle hatten Freundinnen, die in dieselben Schwierigkeiten gerieten. Es wurden immer mehr und nach ein paar Monaten hatte ich so etwas wie eine florierende Praxis, zwar ohne feste Adresse,

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