Wolken über der Wüste
erinnerte, was man sich über Sabon erzählte. Wenn er Brianne etwas antat, würde er dafür bezahlen müssen! Pierce würde ihn fertig machen, und wenn er ihn den Rest seines Lebens verfolgen müsste.
Er hörte Geräusche, dann Stimmen. Er presste das Ohr an die dicke Tür. Eine Stimme konnte er gleich erkennen, auch wenn er sie noch nicht oft gehört hatte. Philippe Sabon!
„Kann es mir nicht leisten, sie gehen zu lassen, jetzt noch nicht“, sagte er.
„Aber Sie denken doch nicht daran, das Kind zu töten!“ rief eine Männerstimme auf Englisch.
„Um Himmels willen, nein!“ Das war wieder Sabon. „Ich will überhaupt keinen töten. Aber wir können das Risiko nicht eingehen, sie freizulassen, nicht, bevor wir unser Ziel erreicht haben. Die Amerikaner müssen kommen und uns schützen. Wir werden uns nicht bei ihnen beliebt machen, wenn sie erfahren, dass wir einen ihrer Staatsbürger gekidnappt haben, egal aus welchem Grund.“
„Das kann sein, aber können wir sie nicht etwas komfortabler unterbringen?“
Schweigen. Dann war wieder Sabons Stimme zu hören. „Wir werden sie und den Bodyguard aufs Festland fliegen und sie in dem alten Fort festsetzen. Das Gebäude ist älter als dieses, bietet jedoch mehr Platz. Übrigens, habt ihr noch nichts von Hutton gehört?“
„Nichts. Offensichtlich ist er noch im Westen der Vereinigten Staaten.“
„Dann wollen wir hoffen, dass er dort bleibt, bis Kurt unseren Deal in Washington abgeschlossen hat. Zwar wird danach sicher alles bald in den Zeitungen und im Fernsehen ausgiebig geschildert werden und Hutton Bescheid wissen. Hoffentlich ist es dann zu spät, und er kann es nicht mehr verhindern. Außerdem hat er sicher nur ein begrenztes Visum und durchaus Feinde in USA. Er ist genauso wenig amerikanischer Staatsbürger wie ich. Kurt hat beides, die deutsche und die amerikanische Staatsbürgerschaft, und das ist für uns von Vorteil. Kommt, wir wollen sehen, ob Kurts bewaffnete Freunde inzwischen eingetroffen sind.“
Pierce richtete sich wieder auf. Was hatte Sabon gesagt? Zum einen hörte er sich nicht an wie ein Mann, der besessen von jungen Frauen ist. Aber er war sicher gefährlich, und manches klang ziemlich aggressiv. Falls Kurt wirklich in den USA war, warum? Und um was für einen Deal ging es hier?
Pierce fluchte leise vor sich hin. Wenn er bloß nicht so ohnmächtig wäre! Irgendetwas braute sich da zusammen, und er konnte nichts dagegen tun. Er konnte nur hoffen, dass Winthrop nach ihm suchen würde, wenn er ihn in Freeport nicht antraf. Und dann gnade Gott diesen Leuten hier. Winthrop würde nicht sanft mit ihnen umgehen.
In den Stunden nach Sabons Besuch ging viel außerhalb von Briannes „Zelle“ vor sich. Sie konnte ihre Gefängniswärter zwar nicht sehen, doch sie hörte alle möglichen Geräusche. Schritte. Mechanische Geräusche, als wenn Waffen entsichert würden. Laute Stimmen. Einige Minuten lang schienen viele Männer in dem Flur vor ihrer Tür versammelt zu sein, dann marschierten sie im Gleichschritt ab. Von draußen waren andere Maschinengeräusche zu hören. Keine Flugzeuge, aber so etwas ähnliches. Hubschrauber vielleicht?
Sie musste daran denken, was Philippe Sabon ihr erzählt hatte. Er wollte die Amerikaner provozieren einzugreifen. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Er hatte wirklich vor, sein eigenes Volk angreifen zu lassen und dafür dann das Nachbarland verantwortlich zu machen. Wusste Kurt davon? War er in dieses Komplott verwickelt? Was war mit ihrer Mutter und dem kleinen Nicholas? Was hatten sie mit diesem ganzen Wahnsinn zu tun? Kurt konnte doch nicht so am Ende sein, dass er Sabon half, einen Krieg anzufangen!
Sie musste unbedingt mehr erfahren! Sie stellte den Stuhl auf den Tisch und stieg hinauf. Vielleicht konnte sie durch das Fenster sehen, wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte. Aber alles, was sie sah, waren die Rotorblätter eines Hubschraubers. Das hatte sicher etwas mit dem geplanten Angriff zu tun, der offenbar unmittelbar bevorstand. Und sie konnte niemanden warnen! Sie konnte noch nicht einmal sich selbst helfen. Aber Sabon konnte doch seine eigenen Landsleute nicht töten lassen, das war unmöglich. Er simulierte den Angriff wahrscheinlich nur, damit man glauben sollte …
Das Festland war einige Meilen entfernt. Der Einschlag von Bomben und Geschossen war sicher auch hier gut zu hören. Als Brianne wenig später bei einer krachenden Explosion zusammenfuhr, wusste sie, dass es zu spät
Weitere Kostenlose Bücher