Wolken über der Wüste
bevorstand und dass sie etwas dafür tun sollte. Gut. Sie fuhr sich durch das Haar, bis es wild von ihrem Kopf abstand. Dann hielt sie eine Zeit lang den Atem an, bis sie rot angelaufen war, griff sich an die Kehle und ächzte laut: „Hilfe … kann nicht mehr atmen … mein Herz …!“
Sie legte die linke Hand aufs Herz und glitt unter Schmerzenslauten langsam zu Boden wie jemand, der gerade einen Herzanfall hatte. Das war zwar in ihrem Alter ziemlich unwahrscheinlich, aber sie wusste, dass der Wachhabende dem eindeutigen Befehl Sabons, auf ihr Wohlergehen zu achten, sofort nachkommen würde. Als er sie hörte, rannte er auch sofort den Flur herunter zu der Tür, die Schlüssel in der Hand.
Doch kurz vor der Tür legte sich ihm ein stahlharter Arm um die Kehle. Der Wachmann ging sofort zu Boden, ein Kinnhaken setzte ihn außer Gefecht. Die Schlüssel wurden ihm aus der Hand genommen, und die schattenhafte Gestalt winkte zwei anderen, wie er dunkel gekleidet vom Kopf bis zu den Füßen. Die zwei Männer übernahmen sofort die Sicherung des Flurs und kontrollierten jede Tür.
Brianne war wieder aufgestanden, als die Tür sich öffnete. Ein Mann mit einer halben Gesichtsmaske stand vor ihr. Seine schwarzen Augen funkelten. Sein Gesicht war schmaler als das von Pierce.
„Sind Sie ein Freund von Pierce?“ stieß sie hastig hervor.
„Ja, zu Ihren Diensten.“ Der Mann grinste, und sie konnte seine strahlend weißen Zähne sehen. „Habe ich die Ehre mit Miss Martin?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, eigentlich Mrs. Hutton, aber er wird dafür schon eine Lösung finden. Wissen Sie, wo er ist? Alles in Ordnung mit ihm?“
So, sein Boss hatte also geheiratet … Tate Winthrop musste grinsen. Er nahm Brianne beim Arm und zog sie aus dem Raum. „Das werden wir gleich wissen. Bleiben Sie dicht hinter mir.“
„Roger!“ sagte sie und streckte den Daumen nach oben.
Wieder blitzten Tates Zähne, dann drehte er sich um, die Pistole in der Hand, und schlich den Flur entlang.
Ein Vogelruf war zu hören. Tate blieb wie angewurzelt stehen und gab den Pfiff zurück. Dann ging er weiter.
Als sie um die Ecke bogen, sahen sie zwei Männer in Tarnanzügen, die ihnen mit gezogenen Waffen entgegenkamen. Schüsse.
Brianne stockte der Atem. Mit so etwas hatte sie nicht gerechnet, wohl aber der Mann, der vor ihr ging. Er feuerte zwei Schüsse ab. „Kommen Sie, schnell!“ rief er. Sie folgte ihm und warf im Vorbeilaufen einen Blick auf die beiden Toten. Das waren keine Araber! Sie waren hellhäutig und hatten blondes Haar! Also ein paar von Sabons beziehungsweise Kurts Söldnern, die auf alles schossen, was sich bewegte. Solche Männer taten nicht nur so, als griffen sie an. Ihre Waffen waren geladen, und ihre Aufgabe war es, zu töten, egal, ob ihre Opfer unschuldig waren oder nicht.
Tate fühlte, wie Brianne seinen Arm umklammerte, aber er konnte jetzt nicht stehen bleiben, um sie zu trösten. Er zog sie mit sich, während er sich nach allen Seiten hin absicherte. Es war Wahnsinn gewesen, das Ganze mit zwei Männern zu starten. Andererseits hatten sie so eine bessere Chance, nicht entdeckt zu werden. Hoffentlich konnte er Pierce befreien und ohne weitere Schießerei verschwinden, möglichst unbemerkt.
„Leider kann ich Ihnen nicht sagen, wohin man Pierce verschleppt hat“, berichtete sie, „ich weiß es nicht.“ Zitternd stolperte sie hinter ihm her.
„Meine Männer haben ihn schon gefunden. Wir haben nur noch ein paar Probleme mit dem Schloss. Es ist eingerostet.“
„Können Sie es nicht einfach aufschießen?“
Er sah sie überrascht an. „Eine Stahltür? Made in Germany? Fantastische Arbeit, auch wenn das Schloss verrostet ist.“
„Ach du Schreck.“
„Einer meiner Männer hat früher wegen Bankraub gesessen. Es gibt kein Schloss, ob rostig oder nicht rostig, das er nicht aufkriegt.“ Er sah sich erneut um. „Ich bin froh, dass die Schüsse nicht mehr Leute angelockt haben. Wahrscheinlich haben sie auf dem Festland genug zu tun, aber das wird sich bald ändern. Sabon kann jeden Moment zurück sein. Er wollte sich nur vergewissern, dass alles nach Plan geht.“
„Er hat gesagt, er wollte nur die Ölfelder seines Landes vor dem Nachbarland schützen. Und dass seine Landsleute verhungern und er ihnen helfen will.“
„Und das haben Sie geglaubt.“ Er seufzte. „Wie wunderbar wäre es, wenn jeder die Wahrheit sagte.“ Vorsichtig sah er um die Ecke und atmete auf. Zwei Männer mit Pierce in der
Weitere Kostenlose Bücher