Wollust - Roman
dass du das machst«, antwortete Rina. »Er hat auf dich geschossen, Himmelherrgott noch mal!«
»Dann rufe ich sie jetzt an und sage ab.«
»Ein bisschen spät, findest du nicht?« Rina stand vom Esstisch auf und begann, das Geschirr ihres Brunches wegzuräumen – zwei Teller und zwei Gläser. Hannah aß nur noch selten mit ihnen gemeinsam. Im Herbst würde sie ihr Studium in Israel beginnen. Bei noch drei verbleibenden Monaten an der Highschool war sie schon so gut wie weg.
Decker folgte seiner Frau in die Küche. »Sagst du mir, was du willst?« Als Rina den Wasserhahn aufdrehte, meinte er: »Ich spüle ab.«
»Nein, ich mach das.«
»Noch besser wäre doch, die Spülmaschine anzustellen, oder?«
»Für zwei Teller?«
Zählte man alle Gläser, Kochutensilien und Töpfe sowie Pfannen dazu, war es viel mehr als das, aber er wollte nicht streiten. »Ich hätte mich mit dir vor meiner Zusage absprechen müssen. Es tut mir leid.«
»Ich erwarte keine Entschuldigungen. Ich mache mir Sorgen um deine Sicherheit. Er ist ein Auftragsmörder, Peter.«
»Er wird mich nicht töten.«
»Erzählst du mir nicht dauernd, dass Fälle von häuslicher Gewalt die gefährlichsten Situationen sind, weil die Gefühle leicht überkochen?«
»Das tun sie, wenn man sich nicht darauf vorbereitet.«
»Glaubst du nicht, dass deine Anwesenheit die ganze Sache eher anheizen wird?«
»Möglicherweise, aber wenn sie niemanden bei sich hat, könnte es noch schlimmer ausgehen.«
»Dann soll sie sich jemand anderen anheuern. Warum gerade dich?«
»Sie glaubt, ich hätte die meisten Chancen, Chris’ Temperament zu entschärfen.«
»›Entschärfen‹ ist genau das passende Wort«, sagte Rina. »Der Mann ist eine Bombe!« Sie schüttelte den Kopf und widmete sich dem Abwasch. Schweigend reichte sie Decker den ersten Teller.
»Danke für den Brunch. Der Lachs Benedikt war ein wahrer Genuss.«
»Jeder Mensch verdient eine Henkersmahlzeit.«
»Das ist nicht witzig.«
Rina reichte ihm den zweiten Teller. »Wenn dir etwas zustößt, werde ich dir das nie verzeihen.«
»Verstanden.«
»Es kümmert mich nicht, was mit ihr passiert. Sie ist bestimmt eine nette Frau, aber sie hat sich selbst in diese Lage gebracht.« Rina spürte, wie Wut in ihr aufstieg. »Warum musst du sie jetzt daraus befreien? Dass sie ausgerechnet dich um Hilfe bittet, ist einfach dreist !«
»Irgendwie hat sie sich mir unauslöschlich eingeprägt.« Decker legte das Geschirr weg und legte seine Hände auf Rinas Schultern. Die Spitzen ihres schwarzen Haars berührten ihre Schultern und ließen ihr Gesicht kess wirken. Dabei war Rina alles andere als das, sondern ernst, konzentriert, sachlich … das waren die zutreffenden Adjektive. »Ich rufe sie an und sage ab.«
»Dafür ist es zu spät, Peter. Er wird in ein paar Stunden dort aufkreuzen. Außerdem hält Chris dich für einen Schlappschwanz,
wenn du jetzt abspringst, und das wäre das Allerschlimmste. Du sitzt in der Klemme.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Nase. Er war groß und kräftig, aber das war Donatti auch. »Ich denke, ich sollte dich begleiten.«
»Keine Chance. Eher steig ich aus.«
»Er mag mich.«
»Genau deshalb könnte er versucht sein, auf mich zu schießen. Weil er auf dich steht.«
»Er steht nicht auf mich …«
»Da irrst du dich.«
»Na gut, dann nimm mich wenigstens mit in die Stadt. Du kannst mich bei meinen Eltern absetzen.«
»Das mach ich gerne.« Decker blickte auf die Küchenuhr. »Kümmere dich nicht um die Unordnung hier. Ich erledige das, wenn ich zurück bin.«
»Du willst schon los?«
»Ich möchte das Zimmer vor seiner Ankunft vorbereiten.«
»Gut, ich hole nur meine Handtasche. Ruf mich an, wenn du fertig bist und alles gut gelaufen ist.«
»Versprochen.«
»Ja, ja. Versprochen.« Rina zupfte ein paar Fussel von seiner Jacke. »Geht es in der Ehe nicht um das Versprechen, sich zu lieben, zu ehren und zu gehorchen?«
»So ähnlich«, erwiderte Decker. »Und wenn ich damit angeben müsste, würde ich sagen, dass ich ziemlich gut dastehe mit meinen Versprechen.«
»Ziemlich gut, was die ersten beiden betrifft«, gab Rina zu. »Es ist das dritte Versprechen, das dir dauernd ein Bein zu stellen scheint.«
2
Als träte er direkt aus einem Gemälde von Diego Rivera, erschien Terrys Mann mit einem riesigen Strauß Calla-Lilien, hinter dem fast sein ganzer Oberkörper verschwand. Auf den Zentimeter genau reichte Decker an die
Weitere Kostenlose Bücher