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Woodstock '69 - die Legende

Woodstock '69 - die Legende

Titel: Woodstock '69 - die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schaefer
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auf die Bühne. Sommer ist Artie Kornfelds Programmbeitrag. Er hatte dessen erstes Album produziert und nahm ihn anschließend mit zu seinem eigenen frisch gegründeten Label Eleuthera Records, das noch im selben Jahr die zweite Platte »Inside Bert Sommer« veröffentlicht, von dem er hier schon einige Songs präsentiert. Er spielt ein einstündiges Best-of-Set. 86 Einige wenige können Sommer kennen durch seine Rolle als Woof im Broadway-Musical »Hair« – seine immense, afrokrause Haarpracht ziert auch das einschlägige Werbeplakat –, den meisten ist er trotz seines vor ein paar Monaten bei Capitol erschienenen Debüts »The Road To Travel« offenbar unbekannt. Entsprechend mau fällt zunächst ihre Reaktion aus, und entsprechend verzagt klingt auch Sommers Ansage zum Opener »Jennifer«. Seine süßlich-eingängige Liebeserklärung an Jennifer Warnes, die er bei »Hair« kennengelernt hat, bleibt jahrzehntelang der einzige Song, der veröffentlicht wird (in den »Woodstock Diaries«). Das hat abgesehen von seinem geringen Bekanntheitsgrad nicht zuletzt technische Gründe. Wegen der einbrechenden Dunkelheit müssen Kameras bzw. Objektive gewechselt werden, und das macht man eben am besten bei einem »unwichtigen« Künstler. Dabei gehen auch große Teile der Tonspur verloren. Es existiert zwar eine Aufnahme von einem auf der Bühne deponierten Sony-Kassettenrecorder, aber es gibt offenbar gute Gründe, sie nicht zu veröffentlichen. Immerhin, auf dem Internet-Memorial des 1990 verstorbenen Musikers findet man einen verrauschten, von junk noise ziemlich verschmutzten Mitschnitt seines Simon & Garfunkel-Covers »America«, der beweist, dass er die Zuhörerschaft im Laufe des Konzerts durchaus rumgekriegt hat. 87 Aber dazu braucht es auch schon einen solchen Joker – einen Song über jugendliche Befindlichkeiten im desolaten zeitgenössischen Amerika.
    Hardin ist zwar immer noch nicht nüchtern, aber jetzt muss er raus auf die Bühne. Es wird dunkel, und da tauchen »kleine Lagerfeuer in der Menge auf, und auf der Hügelkuppe wurden Fackeln angezündet. Es war ein Anblick wie aus einem entfernten Jahrhundert«, schreibt Joe Boyd in seinen Memoiren. 88 Hardins Drummer Steve Booker, der sich später als Muruga Booker vor allem durch seine Zusammenarbeit mit dem Funk-Monster George Clinton einen Namen gemacht hat, ist überwältigt – und auch ein wenig verängstigt. »Anstatt zu applaudieren, schrien sie, und jeder machte ein Streichholz, ein Feuerzeug oder irgendeine andere Art Feuer an. Es war, als würde man in einen Ozean aus Sternen schauen … Nach einer Weile fingen wir an zu spielen, und ich muss leider sagen, nicht sehr gut. Zur Enttäuschung aller war Tim Hardin doch fertiger, als wir es uns gewünscht hätten. Und da er nun mal der Chef war und wir ihm folgen mussten, war es ziemlich schwierig. Er torkelte auf der Bühne herum.« 89 Hardin ist schon seit Jahren schwer drogenabhängig – Ende 1980 stirbt er dann auch, nach einem vielversprechenden Comeback-Versuch, an einer Überdosis Heroin –, die Plattenaufnahmen zur »Suite For Susan & Damian«, die im April 1969 erscheint, sind desaströs, auch die Vorbereitungen für eine Konzertreihe, an deren Anfang Woodstock steht, zeigen einen völlig derangierten Künstler, der zu keiner konzentrierten Arbeit mehr fähig ist, das berichtet jedenfalls Booker. Hardins Erfolg scheint das zumindest bis dahin nicht geschadet zu haben, die »Suite For Susan & Damian« landet wie schon das Vorgänger-Album »Live In Concert« (1968) in den Charts. Die seelische Zerrüttung des ehemaligen Indochina-Kämpfers scheint so etwas wie das Substrat seiner sensiblen, fragilen, bisweilen larmoyanten Songs gewesen zu sein und seine zunehmend exponierte Kaputtheit nur ein nützlicher Authentizitätsnachweis. Songs wie »Lady Came From Baltimore«, »Reason To Believe« und das famose »If I Were A Carpenter« von den ersten beiden Alben leben schon in der Studio-Fassung von seiner verträumten, leicht weggetretenen Stimme.
    Die Woodstock-Version von »If I Were A Carpenter«, das einzige Stück, das von seinem Auftritt überliefert ist, bestätigt Bookers Verdikt und doch auch wieder nicht. Hardins Stimme bricht, seine Gitarrenbegleitung schlingert bedenklich, der Song ist

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