World of Warcraft: Jaina Prachtmeer - Gezeiten des Krieges
Überreste eines Lagers. Das Feuer hatte man gelöscht, doch die Asche war noch warm. Wer hier gerastet hatte, ließ sich nicht sagen. In diesem Gebiet trieben sich sowohl Mitglieder der Horde als auch der Allianz herum, und eigentlich gab es fast immer jemanden, der hier von einem Ort zum nächsten wanderte. Der Kataklysmus hatte die Leben der Leute ebenso durcheinandergewirbelt wie das Land. Vorsichtig gingen sie weiter, aber Baine begann sich allmählich zu fragen, ob es sein konnte, dass man ihren Vormarsch noch gar nicht bemerkt hatte?
Kurz darauf stießen sie auf ein kleines Taurenheiligtum, und Baine ließ haltmachen. „Das ist ein Zeichen“, sagte er. „Hier wurden unsere Brüder und Schwestern von ihren Körpern befreit. Hier werden wir Rast einlegen, um unsere Herzen auf die Schlacht und unsere Seelen auf die Möglichkeit des Todes vorzubereiten. Trollbrüder, ich weiß, das ist nicht euer Ritual, aber ihr könnt euch gerne zu uns setzen, um über das Leben nachzusinnen und über jene, die vor uns dahingeschieden sind. Außerdem“, fügte er noch hinzu, „wollen wir den Segen unserer Vorfahren erbitten. Mögen sie uns führen, auf dass wir tun, was für unser Volk das Richtige und Beste ist.“
Baine schlug jedoch nicht vor, dass seine Leute die Vorfahren um ihren Segen für die kommende Schlacht bitten sollten. Die alten Tauren wären mit so etwas gewiss nicht einverstanden gewesen. Er dachte an Cairne Bluthuf: Nein, der hätte einem solchen Vorhaben niemals seinen Segen gegeben. Eine Mischung aus wilder Kampfeslust und Beunruhigung herrschte unter den Trollen und Tauren, als sie sich versammelten, und Baine, der seine Leute gut kannte, konnte ihren inneren Konflikt spüren. Einen Konflikt, der auch im Herzen ihres Anführers wütete.
Nach ein paar Sekunden – in denen einige Gesänge anstimmten, andere sich zum Gebet hinknieten und wieder andere einfach nur respektvoll dastanden – wurde es Zeit, sich wieder auf den Weg zu machen. Der Große Graben klaffte zu ihrer Linken, und der Pfad neigte sich ein wenig, bevor er sie in eine wellige Hügellandschaft führte.
„Sieht aus, als hätt’n wir Glück gehabt“, meinte Vol’jin.
„Ich glaube nicht, dass irgendwelche Späher es noch geschafft haben, sie zu warnen“, sagte Baine grimmig.
Vol’jin blickte von seinem Raptor zu dem Tauren auf. „Sie hab’n Camp Taurajo zerstört, Freund“, erinnerte er ihn.
„Ja“, nickte Baine. „Sie haben ein militärisches Ziel ausgeschaltet. Aber ihr General hat sich geweigert, die Zivilisten niederzumetzeln. Er hätte jederzeit den Befehl geben können, sie alle abzuschlachten, doch er hat es nicht getan.“
Vol’jins Augen wurden schmal. „Wirst du den Leuten der Allianz dieselbe Gnade erweis’n?“
„Ich glaube nicht, dass es in der Festung Zivilisten gibt“, entgegnete Baine. Falls er Gefangene nehmen sollte, da war er sich sicher, würde Garrosh ihm ohnehin befehlen, sie hinzurichten. Aber das sprach er nicht laut aus. Ja, es war eine militärische Einrichtung, und dass der Kriegshäuptling sie zu ihrem ersten Ziel erklärt hatte, zeugte von guter taktischer Führung.
Das Problem war nur, Garrosh war an der Feste nicht als einem militärischen Ziel interessiert. Der Allianz die Kontrolle über die Nordwacht zu entreißen, war für ihn weniger eine Strategie, sondern vielmehr ein Sprungbrett. Sein echtes Ziel war Theramore. Dort hatte die Allianz zahlreiche Soldaten und Seemänner stationiert. Doch gab es hier auch ein Gasthaus und viele Händler und Familien, die in der Stadt lebten. Ebenso wie die eine, die Baine Bluthuf stets gerecht und freundschaftlich behandelt hatte.
Sie umrundeten eine Biegung des Weges, und als sich das Gelände vor ihnen öffnete, konnte der Taurenhäuptling in der Ferne grauen und weißen Stein sehen: die Türme der Nordwacht. Er hob eine Hand, woraufhin der Heereszug stehen blieb, um sich auf den Sturmangriff vorzubereiten – und fast gleichzeitig wurde die Stille des Brachlandes von Gewehrfeuer zerrissen. Die Trolle und Tauren reagierten sofort, indem sie ihre eigenen Gewehre und Pfeile auf die Allianzsoldaten richteten, die aus der Richtung der Hügel angriffen.
Wut wallte in Baine hoch. Er hätte damit rechnen müssen, doch er hatte sich von dem falschen Gefühl der Sicherheit einlullen lassen, und jetzt fielen seine Leute, wo sie gestanden hatten, und zahlten den Preis für seine Torheit.
„Vorwärts!“, schrie er, und seine vom Zorn noch verstärkte
Weitere Kostenlose Bücher