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World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)

World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)

Titel: World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard A. Clarke , Robert A. Knake
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unbeantwortet, warum die russische Regierung nichts unternahm, um diese Form der Selbstjustiz zu unterbinden. Niemand zweifelte daran, dass die Erben des KGB in der Lage gewesen wären, die Schuldigen aufzuspüren und die Angriffe zu unterbinden. Andere, die das moderne Russland besser kannten, waren der Ansicht, es gehe keineswegs nur darum, dass untätige russische Sicherheitsdienste ein Auge zudrückten, während die Jugend ihrem nationalistischen Eifer freien Lauf ließ. Viele der fähigsten Hacker des Landes stünden, sofern sie nicht Staatsdiener seien, im Sold von kriminellen Organisationen. Und dank seiner – vom russischen Staat nicht eingestandenen – Verbindungen zu den Sicherheitsdiensten gedeihe das organisierte Verbrechen. Es sei oft schwierig, eine klare Trennlinie zwischen den kriminellen Organisationen und den Sicherheitsdiensten zu ziehen, die den Großteil der russischen Ministerien und lokalen Verwaltungen kontrollierten. Viele Beobachter der Entwicklungen in Russland glauben, dass sogar einige hochrangige Regierungsvertreter das organisierte Verbrechen dulden und im Gegenzug einen Anteil der Gewinne kassieren oder Unterstützung in heiklen Angelegenheiten in Anspruch nehmen können – so etwa in der Auseinandersetzung mit Estland.
    Nach der Bronzenacht hatten die russischen Sicherheitsdienste die einheimischen Medien aufgefordert, das nationalistische Ressentiment gegen Estland zu schüren. Es ist keine abwegige Annahme, dass sie auch kriminelle Organisationen aufforderten, die Hacker in den Dienst der Sache zu stellen, und dass sie den Cyberkriegern vielleicht sogar so manche hilfreiche Information gaben. Führten die russischen Sicherheitsbehörden elektronische Angriffe gegen Estland durch? Möglicherweise sollte man die Frage anders formulieren: Schlugen sie die Angriffe vor, ermöglichten sie sie und weigerten sie sich, sie zu untersuchen oder die Täter zu bestrafen? Und schließlich muss man fragen, ob die Unterscheidung wirklich Bedeutung hat, wenn man ein Este ist, der am Geldautomaten kein Geld mehr bekommt.
    Nach dem elektronischen Angriff beschloss die NATO, ein Cyber Defense Center einzurichten. Es nahm im Jahr 2008 wenige Kilometer von dem Ort, an dem der riesige Bronzesoldat gestanden hatte, den Betrieb auf. Am ursprünglichen Standort der Statue findet man heute einen kleinen Hain.
    Leider war das NATO-Zentrum in Tallinn kaum von Nutzen, als es zu Gebietsstreitigkeiten zwischen Russland und einer weiteren früheren Sowjetrepublik, nämlich Georgien, kam. Die Republik liegt am Schwarzen Meer und grenzt direkt an Russland, und die beiden Staaten unterhalten seit mehr als einem Jahrhundert eine ausgesprochen ungleiche Beziehung. Georgien ist klein und hat nur etwa vier Millionen Einwohner. In Anbetracht seiner Lage und seiner Größe wird es vom Kreml als Teil seiner »Einflusssphäre« betrachtet. Als das Russische Reich nach der Oktoberrevolution und dem Ende der Monarchie zu zerfallen begann, versuchten die Georgier, die Gunst der Stunde zu nutzen, und erklärten während des russischen Bürgerkriegs ihre Unabhängigkeit. Doch nach dem Ende des Bürgerkriegs marschierte die Rote Armee rasch in Georgien ein und installierte ein Marionettenregime. Das Land wurde in die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken eingegliedert. Die sowjetische Herrschaft in Georgien dauerte bis 1991, als sich Georgien, begünstigt von den Wirren in Moskau, erneut zum souveränen Staat erklärte.
    Zwei Jahre später verlor es die Kontrolle über zwei kleine Regionen, Südossetien und Abchasien. Mit Unterstützung Russlands besiegte die russische Bevölkerung dieser Gebiete die wenig schlagkräftige georgische Armee und vertrieb die meisten georgischen Einwohner. Rechtlich wurden die beiden Regionen von der übrigen Welt weiterhin als Teile Georgiens betrachtet, aber die finanzielle und militärische Unterstützung aus Russland erlaubte es ihnen, sich den georgischen Hoheitsansprüchen zu widersetzen. Dann provozierten im Juli 2008 südossetische Aufständische (oder russische Agenten, je nachdem, welcher Version der Geschichte man Glauben schenken möchte) einen Konflikt mit Georgien und begannen, georgische Dörfer mit Raketen zu attackieren.
    Die Verhandlungen über den Status der Region wurden abgebrochen. Die georgische Armee ging zu den erwarteten Vergeltungsmaßnahmen über, indem sie die südossetische Hauptstadt aus der Luft angriff. Am 7. August marschierten georgische Truppen in

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