World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)
Diejenigen in Moskau, die der Meinung waren, die USA würden Russland etwas vormachen, fühlten sich nun bestätigt. Das Misstrauen, das Baker zerstreuen wollte, wuchs weiter.
Beim Begriff Cyberspionage mag der eine oder andere denken, sie biete eine völlig neue Möglichkeit, die Kommunikation des Feindes abzuhören. Cyberspionage ist in vieler Hinsicht einfacher, billiger und erfolgreicher als die traditionelle Spionage, außerdem sind die Folgen einer Entdeckung weniger gravierend. Das könnte bedeuten, dass sich mehr Staaten gegenseitig ausspionieren und in dieser Richtung mehr unternehmen als bisher. Es könnte auch bedeuten, dass das Vertrauen zwischen den Ländern leidet, wenn man beispielsweise entdeckt, wie bereits geschehen, dass chinesische Hacker die Computer des deutschen Kanzleramts mit Trojanern angegriffen haben. Vor der Cyberspionage war die Informationsmenge, die ein Spion stehlen konnte, begrenzt. Damit war in gewisser Weise auch das Ausmaß des von ihm verursachten Schadens eingeschränkt. Der Fall des F-35-Kampfflugzeugs (den wir in Kapitel fünf erwähnten) zeigt, wie stark sich der quantitative Aspekt der Spionage durch die virtuelle Dimension verändert hat. Wir haben es nicht nur mit einer neuen Spionagetechnik zu tun. Durch die Geschwindigkeit, das Volumen und die globale Reichweite der Cyberaktivitäten unterscheidet sich die Cyberspionage grundlegend von den bisherigen Methoden. Betrachten wir noch einmal den Vorfall im Zusammenhang mit der F-35.
Die F-35 ist die fünfte Generation eines Kampfflugzeugs, das von Lockheed Martin entwickelt wird. Das Flugzeug soll den Anforderungen der Marine, Luftwaffe und Marineinfanterie im 21. Jahrhundert entsprechen, eine Maschine für Luft-Boden-Angriffe, die die alternde Flotte der F-16- und F-18-Mehrzweckkampfjets ersetzen wird. Die größte Weiterentwicklung der F-35 im Vergleich zur vierten Generation sind ihre elektronische Kampfführung und die intelligenten Waffensysteme. Mit einer geringeren Zuladung als ihre Vorgänger wurde die F-35 nach dem Konzept des »One Shot, One Kill« entworfen, das ein fortschrittliches Zielsystem erfordert. Das US-Militär hat, verteilt auf Luftwaffe, Marine und Marineinfanterie, fast 2500 Flugzeuge mit einem Wert von fast 300 Milliarden Dollar bestellt. Auch andere NATO-Länder haben Flugzeuge geordert. Mit der F-35 könnte man potenzielle Gegner für die nächsten drei Jahrzehnte dominieren. Doch diese Dominanz wäre gefährdet, wenn unsere Feinde eine Möglichkeit finden würden, an die technischen Daten zu kommen.
Im April 2009 gab es einen Einbruch in die Datenbank eines Zulieferunternehmens, bei dem mehrere Terabytes an Informationen zur Entwicklung der F-35 heruntergeladen wurden. Bei den gestohlenen Daten handelte es sich um Angaben über das Design des Flugzeugs und seine elektronischen Systeme, allerdings weiß man nicht genau, was gestohlen wurde, weil die Hacker ihre Spuren verwischten und die gestohlenen Daten codierten, bevor sie sie exportierten. Laut Pentagon konnte auf die sensibelsten Daten nicht zugegriffen werden, weil sie durch ein Air Gap geschützt waren, eine Sicherheitsvorkehrung, bei der das Netzwerk physisch von anderen Netzwerken und dem Internet getrennt ist. Im Pentagon ist man sich ziemlich sicher, dass man die Hacker zu einer IP-Adresse in China zurückverfolgen konnte und dass die Handschrift des Angriffs auf eine Beteiligung der chinesischen Regierung hindeutet. Das war nicht der erste erfolgreiche Hackerangriff auf das F-35-Programm. Der Diebstahl der F-35-Datenbegann im Jahr 2007 und setzte sich bis 2009 fort. Bei dem gemeldeten Diebstahl ging es um »mehrere« Terabyte. Nehmen wir aus Gründen der Einfachheit an, es handle sich nur um ein Terabyte. Wie viel wurde dabei gestohlen? Die Datenmenge entspricht zehn Ausgaben der Encyclopaedia Britannica – alle 32 Bände mit 44 Millionen Wörtern, und das mal zehn.
Wenn ein Spion zu Zeiten des Kalten Krieges diese Informationsmenge aus einer geheimen, gesicherten Einrichtung hätte schmuggeln wollen, hätte er einen kleinen Umzugslaster und einen Gabelstapler benötigt. Außerdem hätte er riskiert, dass man ihn erwischt und getötet hätte. Robert Hanssen, der FBI-Mitarbeiter, der seit den achtziger Jahren für die Sowjets und später dann für die Russen spionierte, verriet in über zwei Jahrzehnten nicht einmal annähernd so viel. Er schmuggelte Dokumente aus dem FBI-Hauptquartier, wickelte sie in Plastiktüten und warf
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