World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)
beschwichtigen, etwa 1960, als von einer »Missile Gap« (Raketenlücke) die Rede war, also behauptet wurde, das Raketenarsenal der Sowjetunion sei viel größer als unseres. Die ersten amerikanischen Spionagesatelliten zerstreuten die Bedenken. Spionage kann manchmal Überraschungen verhindern, man muss nicht ständig in Alarmbereitschaft sein, weil man ständig damit rechnet, überrumpelt zu werden. Dennoch gibt es einige grundlegende Unterschiede zwischen Cyberspionage und der traditionellen Spionage, die man beachten muss.
Im Kalten Krieg gaben die USA und die UdSSR Milliarden aus, um sich gegenseitig auszuspionieren. Wir bemühten uns ebenso wie die Sowjets, Agenten in wichtigen sowjetischen Ministerien zu rekrutieren und mehr über die sowjetischen Absichten, Kapazitäten und Schwächen zu erfahren. Manchmal hatten wir Erfolg und konnten von den Informationen enorm profitieren. Viel häufiger jedoch scheiterten unsere Versuche. Diese Fehlschläge hatten gelegentlich gravierende Folgen.
Ende der sechziger Jahre wäre aufgrund amerikanischer Spionagetätigkeit in Nordkorea zweimal beinahe ein bewaffneter Konflikt ausgebrochen. Das Spionageschiff USS Pueblo wurde von der nordkoreanischen Marine im Januar 1968 geentert, die 82 Mann starke Besatzung wurde gefangen genommen. Elf Monate lang, bis zur Freilassung der Amerikaner, befanden sich die Streitkräfte auf der Koreanischen Halbinsel in höchster Alarmbereitschaft, weil man eine bewaffnete Auseinandersetzung fürchtete. Fünf Monate nach der Freilassung der Amerikaner wurde ein EC-121-Aufklärungsflugzeug der amerikanischen Marine vor der nordkoreanischen Küste abgeschossen, alle 31 Mitglieder der Besatzung kamen ums Leben (interessanterweise ereignete sich der Vorfall am Geburtstag des nordkoreanischen Führers Kim Il Sung). Der damalige US-Präsident Richard Nixon erwog eineBombardierung, doch da die amerikanischen Streitkräfte im Vietnamkrieg gebunden waren, hielt er sich zurück, um zu verhindern, dass die Situation eskalierte und sich zu einem zweiten amerikanischen Krieg in Asien entwickelte.
Sieben Monate später war ein U-Boot der amerikanischen Marine angeblich in sowjetischen Hoheitsgewässern im Einsatz, als es unter Wasser mit einem sowjetischen U-Boot zusammenstieß. Seymour Hersh berichtete sechs Jahre später: »Das amerikanische U-Boot, die USS Gato, befand sich auf einer streng geheimen Erkundungsfahrt im Rahmen des sogenannten Holystone-Programms in der Barentssee. 15 bis 25 Meilen vor der Mündung des Weißen Meeres stieß das Schiff mit einem sowjetischen U-Boot zusammen.« In seinem Buch Stalking the Red Bear beschreibt Peter Sasgen die Operation Holystone als »eine Reihe von Einsätzen im Kalten Krieg, die alles Mögliche umfassten, von der Aufnahme akustischer Signale der einzelnen sowjetischen U-Boote über die Aufzeichnung der elektronischen Kommunikation bis zu Videoaufzeichnungen von Waffentests«.
Laut Hersh wurde die Operation Holystone, die »unter den Codenamen Pinnance und Bollard fortgeführt wurde … Anfang der sechziger Jahre begonnen«. Zu Beginn des Jahres 1992 war ich stellvertretender Staatssekretär im Außenministerium, und mein Chef, Außenminister James A. Baker III., führte mit Russland heikle Verhandlungen über die Abrüstung und das Ende des Kalten Krieges. Baker glaubte, er könne das Gefühl der Niederlage und Paranoia bei der militärischen Elite und den führenden Kreisen Moskaus überwinden. Er wollte die Ängste beschwichtigen, dass wir den Zusammenbruch der Sowjetunion zu unserem Vorteil nutzen würden. Dann kam es am 11. Februar 1992 vor der Küste von Seweromorsk zu einem Zusammenstoß zwischen dem amerikanischen Atom-U-Boot USS Baton Rouge und dem russischen U-Boot Kostroma der Sierra-Klasse. Empört warfen die Russen den Amerikanern vor, das US-U-Boot habe in den russischen Hoheitsgewässern spioniert.
Ich weiß noch, wie wütend Baker war, als er wissen wollte, wer im Außenministerium die Fahrt der Baton Rouge genehmigt habe und was man sich davon angesichts des Schadens verspreche, den man durch die Entdeckung des U-Bootes anrichte. Baker machte sich sofort daran, den Vertrauensverlust mit diplomatischen Mitteln zu reparieren, und versprach seinem russischen Kollegen Eduard Schewardnadse, es werde keine weiteren derartigen US-Operationen mehr geben. Die USS Baton Rouge war schwer beschädigt, schaffte es jedoch zurück in ihren Heimathafen, wo sie bald außer Dienst gestellt wurde.
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