World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)
Vereinigten Stabschefs dem Präsidenten mitteilen müsste, dass er nicht wisse, ob die Chinesen einen schädlichen Hackerangriff starten könnten, der dazu führt, dass unsere Flugzeugträger hilflos im Wasser treiben? Würde der Präsident das Risiko eingehen, unsere Marine einzusetzen, wenn dabei eventuell gezeigt werden würde, dass ein Gegner unsere Truppen lahmlegen, orientierungslos machen oder verwirren kann?
Dass unsere lebenswichtigen Systeme so anfällig für einen Cyberkrieg sind, erhöht die Kriseninstabilität. Solange unsere Wirtschaft und das Militär so offensichtlich verwundbar sind, geraten unsere Gegner in Versuchung, in einem Konfliktfall auch anzugreifen. Die Gegner denken vielleicht, sie hätten Gelegenheit, das politische, wirtschaftliche und militärische Gleichgewicht zu verändern, indem sie der Welt zeigen, was sie Amerika antun können. Möglicherweise glauben sie, dass sie mit der Androhung noch größerer Schäden durchkommen und die USA von entsprechenden Vergeltungsmaßnahmen abhalten können. Doch die US-Regierung könnte sich im Falle eines Hackerangriffs zu einem Gegenschlag veranlasst fühlen. Ihre Reaktion würde sich vielleicht nicht auf den virtuellen Raum beschränken, und der Konflikt könnte schnell eskalieren und außer Kontrolle geraten.
Die aktuelle Situation spricht dafür, rasch Maßnahmen zu ergreifen, um dieses strategische Ungleichgewicht abzubauen. Derzeit befänden sich die USA bei einem Cyberkrieg im Nachteil. Die Lösung besteht jedoch nicht nur darin, unsere Offensivkräfte im Cyberspace zu stärken. Höhere Kapazitäten werden das Ungleichgewicht nicht verändern und auch unsere potenzielle Kriseninstabilität nicht ausgleichen. Denn anders als in einem konventionellen Krieg garantiert eine überlegene Offensive in einem Cyberkrieg nicht automatisch, dass man sämtliche Offensivkräfte des Gegners aufspürt und ausschaltet. Die Mittel, Amerika lahmzulegen, befinden sich womöglich bereits in den USA. Sie sind vielleicht nicht einmal über das Internet nach Amerika gelangt, wo man sie vielleicht entdeckt hätte, sondern auf CDs in Diplomatenkoffern oder auf USB-Sticks in den Aktentaschen von Geschäftsleuten.
Damit andere Staaten in einer Krise nicht gleich mit dem Einsatz von Cyberwaffen drohen, brauchen wir eine glaubwürdige Verteidigung. Wir müssen bei den potenziellen Angreifern Zweifel säen, ob ihr Anschlag angesichts unserer Abwehr funktioniert, damit sie es gar nicht erst versuchen. Potenzielle Gegner sollen denken, ihre Cyberpfeile würden an unseren Schilden einfach abprallen. Oder zumindest sollen sie glauben, dass unsere wichtigsten Systeme ausreichend geschützt sind und ihre Attacken keinen großen Schaden anrichten können. Aber davon sind wir derzeit noch weit entfernt.
Der Schutz der USA vor einem Cyberangriff sollte das erste Ziel einer Strategie für den Netzkrieg sein. Schließlich verfolgt jede nationale Sicherheitsstrategie der USA den Zweck, die USA zu schützen. Wir entwickeln Waffen nicht mit dem Ziel, unsere Hegemonie in verschiedenen Bereichen (auf See, im Weltraum, im Cyberspace) auszubauen, sondern um unser Land zu schützen. Das scheint ganz einfach, wird aber schnell kompliziert, weil es Leute gibt, die glauben, Angriff sei noch immer die beste Verteidigung. Demnach muss man den Gegner vernichten, bevor er uns Schaden zufügen kann.
Als Robert Elder Kommandeur des Air Force Cyberspace Command war, erklärte er Journalisten, seine Aufgabe liege zwar in der Defensive, geplant sei jedoch die Zerstörung der Computernetzwerke des Gegners. »Wir wollen rein und den Feind in der ersten Runde k.o. schlagen«, sagte er. Das erinnert an einen anderen General der Air Force, an Curtis LeMay, der als Kommandeur desStrategic Air Command in den fünfziger Jahren den Experten von der Rand Corporation erläuterte, seine Bomber würden bei einem sowjetischen Angriff nicht am Boden zerstört, »weil wir zuerst zuschlagen«.
Dieses Denken ist gefährlich. Wenn wir über keine glaubwürdige Defensivstrategie verfügen, wird ein virtueller Konflikt sehr schnell eskalieren. Uns bliebe dann gar nichts anderes übrig, wir müssten aggressiv auftreten und uns Zugriff auf die Systeme unseres Gegners verschaffen, um seine Angriffe aufzuhalten, bevor sie unsere ungesicherten Systeme erreichen. Dieser Zugzwang wirkt destabilisierend, er zwingt uns, potenzielle Gegner wie tatsächliche Gegner zu behandeln. Wir müssen eine Position der Stärke vertreten
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