World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)
und vor allem für ihren Nichteinsatz – entwickelt und umgesetzt wurde. In der Frühzeit der Atomwaffenära wäre es mehrmals beinahe zu einem unbeabsichtigten Krieg gekommen. Mit der Atomwaffenstrategie, die schließlich zustande kam, wurde dieses Risiko erheblich gesenkt. In diesem und im nächsten Kapitel wird immer wieder auf die Nuklearwaffenstrategie Bezug genommen. Der Unterschied zwischen einem Cyberkrieg und einem Atomkrieg ist offensichtlich, doch einige Konzepte, die für die Atomkriegstrategie entwickelt wurden, lassen sich auf den Cyberspace übertragen. Andere dagegen nicht. Dennoch können wir, wenn wir die Entwicklung in den fünfziger und sechziger Jahren betrachten, lernen, wie man eine komplexe Strategie für den Einsatz neuer Waffen gestaltet. Für unsere Strategie zum Cyberkrieg können wir die geeigneten Konzepte übernehmen und anpassen.
Die Rolle der Verteidigung in unserer Strategie für den Cyberkrieg
Zu Beginn des Buches fragte ich: Profitieren wir von den Cyberwaffen und einem Cyberkrieg, geht es uns damit besser als in einer fiktiven Welt, in der es keine Cyberwaffen gibt? Die Diskussion in den anschließenden Kapiteln zeigte (zumindest mir), dass es in den USA momentan klaffende Sicherheitslücken gibt, da andere Staaten über umfassende Kapazitäten zum Cyberkrieg verfügen. Aufgrund ihrer starken Abhängigkeit von computergesteuerten Netzwerken und des Versäumnisses, eine nationale Cyberverteidigung aufzubauen, sind die USA in einem Netzkrieg verwundbarer als Russland oder China. Wir sind auch stärker gefährdet als beispielsweise Nordkorea oder andere kleinere Staaten. Uns könnten eines Tages sogar Staaten oder Gruppierungen gefährlich werden, die selbst nicht über die Kapazitäten für einen Cyberkrieg verfügen, aber fähige Hacker in ihren Dienst stellen.
Betrachten wir einmal einen möglichen Cyberkrieg zwischen den USA und China (und lassen für einen Moment die Frage außer Acht, wie er zustande kommen würde). Wir haben vielleicht die besseren virtuellen Offensivwaffen, doch die Tatsache, dasswir das chinesische Luftraumüberwachungssystem ausschalten können, wäre den meisten Amerikanern nur ein schwacher Trost, wenn die IT-Spezialisten der chinesischen Volksbefreiungsarmee wochenlang den Strom in den amerikanischen Städten abschalten, die Finanzmärkte zusammenbrechen lassen, indem sie ihre Daten zerstören, und für Lebensmittelknappheit und landesweite Versorgungsengpässe sorgen, indem sie die Fahrpläne auf den wichtigsten amerikanischen Zugstrecken durcheinanderbringen. Zwar ist vieles in China sehr fortschrittlich, dennoch ist die Volksrepublik noch weit davon entfernt, von Netzwerken abhängig zu sein, die von Computern kontrolliert werden. Außerdem muss sich die chinesische Regierung wahrscheinlich weniger Gedanken über vorübergehende Unannehmlichkeiten für ihre Bürger machen oder über die politische Akzeptanz der Maßnahmen, die sie bei einem Notstand verhängen würde.
Insgesamt betrachtet, befindet sich Amerika durch die Möglichkeit eines Cyberkriegs im Nachteil. Was immer wir »den anderen« antun können, die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie größeren Schaden bei uns anrichten. Diese Situation müssen wir ändern.
Wenn wir unsere verwundbaren Stellen bei einem Cyberkrieg nicht reduzieren, werden wir vor dem Einsatz von Cyberwaffen zurückschrecken. In dem Wissen, was andere uns antun könnten, zögern wir womöglich, unsere Überlegenheit auf anderen Gebieten auszuspielen, etwa bei konventionellen Waffen, obwohl ein Eingreifen gerechtfertigt wäre. Die Cyberwaffen anderer Länder könnten uns davon abhalten, aktiv zu werden, nicht nur im Cyberspace, sondern auch in anderen Bereichen. Wird ein amerikanischer Präsident auch in zukünftigen Konfliktsituationen, etwa wenn sich China und Taiwan um Ölplattformen im Südchinesischen Meer streiten, die Option haben, Flugzeugträger zu entsenden, um die Chinesen einzuschüchtern? Welcher Präsident würde die US-Marine in die Formosastraße beordern, wie es Clinton 1996 tat, wenn er glauben würde, dass der Stromausfall, der gerade Chicago getroffen hat, ein Signal ist und dass diese Stromausfälle auf jede amerikanische Großstadt übergreifen können, wenn wir uns einmischen?
Oder vielleicht greifen die Computer- und Datenprobleme, mit denen die Warenterminbörse in Chicago zu kämpfen hat, auf weitere wichtige Finanzinstitute über? Schlimmer noch, was wäre, wenn der Vorsitzende der
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