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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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deiner Mutter, sei dir darüber klar.
    Der gleiche Blick. Und jetzt richtete ihn Depeyster auf Walter. »Walter, du weißt doch, daß jetzt in der Produktion Hochbetrieb ist. Bis Monatsende müssen wir sechstausend Schwingzeuge und dreitausend Krümpler an Westinghouse liefern. Es kommen stapelweise Aufträge rein. Und dann hat doch in der Lackiererei gerade einer gekündigt, oder?«
    Walter mochte zwar keinen Vater haben, aber alle schienen sich um diese Rolle zu reißen. »Du läßt mich also nicht gehen?«
    »Walter, Walter«, sagte Depeyster und legte ihm wiederum den Arm um die Schulter, »ich will doch nur dein Bestes. Hör zu, wenn du wirklich da hinfahren möchtest – hat das nicht noch ein bißchen Zeit? In zwei Monaten, was meinst du? Ich gebe dir deinen Urlaub in zwei Monaten, im Herbst, wenn im Betrieb nicht mehr so viel los ist und du mehr Zeit zum Nachdenken gehabt hast – was meinst du dazu?«
    Walter gab keine Antwort. Er riß sich los, raffte seine ganze Würde zusammen – was nicht leichtfiel, angesichts des zerknautschten Hemdes, der verdreckten Hose und der ersten Stiche eines mörderischen Katers, die ihm jetzt durch den Schädel fuhren – und begann, die Stufen der Veranda hinunterzuhinken.
    »Walter!« rief ihm Depeyster nach. »Hey, jetzt sieh mich doch mal an.«
    Walter drehte sich um, als er den MG erreicht hatte, und wider Willen lächelte er seinen Boß und Mentor reuig an.
    »Du, das Beste hab ich dir ja noch gar nicht erzählt!« rief Depeyster, als Walter den Motor anließ. Während der Wagen unter ihm vibrierte, wartete Walter auf Depeyster, der die Treppe hinuntersprang und sich über die Beifahrertür lehnte. Er hielt immer noch den Halfter in der Hand, und jetzt schwenkte er ihn triumphierend wie ein Jäger einen erlegten Fasan. »Ich kaufe mir ein Pferd!« jubelte er, und rings um ihn schien der Abend den schönsten Hoffnungsschimmer zu verströmen; das goldene Licht der sinkenden Sonne beschien sein strahlendes Gesicht, als wäre das Ganze die letzte Einstellung eines Spielfilms mit Happy-End.
    Den Heimweg überstand Walter ohne Zwischenfälle – keine Kollisionen mit der Geschichte, keine plötzlich auftauchenden Schatten, keine Geister, Luftspiegelungen oder sonstige Sinnestäuschungen. Er bog in die Auffahrt des einsamen kleinen Häuschens ein, in dem er zur Miete wohnte, schaltete den Motor ab und blieb sitzen, während die Luft um ihn sich langsam verdichtete. Je länger er dasaß, desto klarer wurde ihm, daß irgend etwas nicht stimmte mit dieser Luft, die offenbar er mit sich gebracht hatte – sie roch vergoren und faulig, es war der üble Gestank von Fischmärkten oder Müllhalden. Jetzt erst fiel ihm der Kofferraum ein.
    Er machte die Haube auf und sah die Bescherung: durcheinandergerollte Dosen, verwelkter Salat, zerbrochene Eier, verdorbenes Fleisch. Das war zuviel für ihn. Der Fäulnisgeruch, der aus dem heißen Kofferraum aufstieg, ließ ihn zurücktaumeln, rammte ihm eine Faust in den Bauch und fuhr tief in seinen Schlund hinein. Er verlor das Gleichgewicht und ging in die Knie, was sein Glück war, denn nun kamen ihm Old Inver House, Kaffee, Pfirsichkuchen und das längst vergessene Frühstück hoch. Eine halbe Ewigkeit kniete er dort, über die kleine Pfütze seines säuerlichen Erbrochenen gebeugt. Von weitem hätte man meinen können, daß er betete.

ZWISCHEN HAMMER UND AMBOSS
    In jenem fernen, schwülen Sommer des Jahres 1679, in dem der patroon nach Van Wartville kam, um durch eine Verbreiterung der Straße seinen Besitz zu modernisieren, und Jeremias Van Brunt sich unverfroren dagegen auflehnte, schätzte der jongheer diese Auflehnung durchaus richtig ein: als neuerlichen frechen Schlag, der sich gegen das System bürgerlicher Ordnung selbst richtete. Keine halbe Meile entfernt von der Viehweide, auf der es eines Tages zu den Unruhen von Peterskill kommen sollte, und unwesentlich weiter von der Stelle, an der Walter vor seinem Mietshaus kniend jene Katharsis erlebte, entschloß sich Stephanus zum Durchgreifen. Wenn schon dieser ungebildete, ungewaschene, gewalttätige, einbeinige Lump ihn herausfordern konnte, was hielt dann verkommene Subjekte wie Robideau oder solch gerissene Schlangen wie Crane davon ab, es ihm gleichzutun? Er hatte keine andere Wahl: gab er auch nur einen Zoll nach, zeigte er sich im geringsten nachgiebig oder unschlüssig, würde ihm das gesamte Gebäude des Großgrundbesitzertums um die Ohren fliegen. Und wie wäre das mit seinem

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