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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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mit orkanartigem Luftsausen ohnmächtig vornüber in den Staub fiel. Im selben Moment stellten sich Douw und Cadwallader Crane zwischen die Streithähne. »Sei doch vernünftig, vader«, beschwichtigte Douw, »das hat ja keinen Sinn«, während auf der anderen Seite der hagere, gelenkige junge Crane den wild um sich tretenden Franzosen in so festem Griff hielt, als wären seine langen, dünnen Arme Hanfstricke, die er zweimal um Robideau geschlungen hatte. »Laß mich los!« keuchte der Franzose, während er auf der Stelle hüpfte und einen Schwall von Flüchen hinausbrüllte, der jeden Matrosen verlegen gemacht hätte. »Laß mich los, du Drecksau!«
    Die Gemüter waren also erhitzt, die Menschen standen gedrängt, und Mrs. Sturdivant lag am Boden hingestreckt wie eine kranke Kuh, als der patroon auf seinem Vollblut angeritten kam. Seine gestrenge, tadelnde Miene ließ die schmalen Nasenflügel erbeben. »Was zum Donnerwetter geht hier vor?« polterte er, und sofort löste sich das Handgemenge auf. Neeltje hob das tränenüberströmte Gesicht, Meintje van der Meulen beugte sich zu der armen Mrs. Sturdivant hinunter, Robideau kam von Cadwallader Crane los und sah sich wütend um. Niemand sagte ein Wort.
    Der patroon musterte die Menge von oben herab, bis sein schweifender Blick schließlich an van den Post hängenblieb. »Aelbregt«, bellte er, »könnt Ihr mir erklären, was hier vorgeht?«
    Van den Post trat mit einer Verbeugung vor, die Enden seines Schnurrbarts zuckten in einem breiten, boshaften Grinsen, und sagte: »Sehr wohl, mijnheer. Es scheint, als hätten Van Brunts kriminelle Gedanken seine Nachbarn angesteckt. Bauer van der Meulen zum Beispiel –«
    »Genug!« Stephanus warf einen vernichtenden Blick auf die Farmer, ihre Frauen und Kinder, die allesamt mit gesenkten Köpfen dastanden, dann wandte er sich wieder an van den Post. »Ich möchte nur eines wissen: wo ist er?«
    »Mit Verlaub, mijnheer , er wollte nicht mitkommen«, erwiderte van den Post. »Hättet Ihr befohlen, Gewalt anzuwenden«, fuhr er fort, und sein Grinsen war das des Mannes, der sich unbegrenzt von Quallen und Salzwasser ernähren konnte, »dann, so versichere ich Euch, stünde er schon hier.«
    In diesem Augenblick trat Neeltje vor, bahnte sich ungestüm einen Weg zwischen den Nachbarn hindurch, ihr Gesicht wie ein offenes Buch. » Mijnheer , bitte«, flehte sie, »die Farm ist alles, was wir haben, wir sind immer gute Pächter gewesen, und wir haben die Äcker für Euch auf das mehr als Zehnfache vergrößert – erst dieses Frühjahr haben wir einen ganzen Morgen Wald gerodet und Roggen als Viehfutter gesät, und Erbsen außerdem ...«
    Stephanus war nicht in der Stimmung, Appelle an Mitgefühl oder Vernunft anzuhören. Er war ein mächtiger Mann, ein gebildeter Mann, ein Mann von Geschmack und Kultur. Er sah auf Neeltje in ihren ärmlichen Kleidern hinab, die nach all den Jahren immer noch hübsch war, und hatte dabei vor Augen, wie sie damals in jenem Lotterbett gelegen hatte, mit zerwühltem Haar und dem Wortschatz einer Hure. Es war ein Bild, wie es kein Gentleman in sich tragen sollte, und er knirschte mit den Zähnen. Als er schließlich sprach, fiel ihm die Beherrschung schwer; er richtete sich im Sattel auf und blickte wie ein Zentaur über die kraftvolle, vollkommen geformte Schulter seines Reittiers, mit dem er eins war. »Das Halbblut und der andere, der Junge mit dem losen Mundwerk, sind in unsrem Gewahrsam«, sagte er, kaum die Lippen bewegend. »Morgen, wenn der Pranger fertig gezimmert ist, werden sie ihre Strafe antreten.« Hier machte er eine Pause, damit seine Worte wirken und auf die abschließende Verkündung hinführen konnten. »Und ich versichere Euch, huisvrouw , die beiden werden so lange an diesen Pranger gestellt werden, bis Euer Gatte in mein Haus kommt und sich mir vor die Füße wirft, um darum zu bitten – ja, zu bitten –, mir dienen zu dürfen.«
    Der Rübenkeller war voller Mäuse, Ratten, Nacktschnecken und anderer niederer Kreaturen, die abseits des Lichtes gedeihen. Es war rabenschwarz wie an den entlegensten Rändern eines Universums ohne Sonnen, immerwährende Mitternacht, und naß war es, triefend naß wie auf dem Grund eines tiefen, einsamen Grabes. Wouter gefiel das gar nicht. Er war elfeinhalb Jahre alt, und seine Phantasie schmückte die unsichtbare Decke mit den hämischen Gesichtern der Kobolde, Teufel und barbarischen Götter, die in stillen Winkeln des Tals hausten; mit der

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