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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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blutigen Fratze der alten Baronin Hobby, die von einem ruchlosen Sint Sink skalpiert und ihrem Schicksal überlassen worden war; mit Wolf Nysens flammendrotem Bart und seinen Schlächteraugen. Dicht an seinen Vetter gepreßt, um Trost und Wärme von ihm zu empfangen, beherrschte er sich so lange wie möglich – das waren dreieinhalb Minuten, nachdem van den Post den schweren Holzdeckel über ihren Köpfen zugeklappt hatte –, ehe er eingestand, daß er sich fürchtete. Sie saßen in der ein Meter zwanzig tiefen Grube, die man in die Erde des Kellerbodens gegraben hatte, und die Falltür über ihnen war mit dem Gewicht dreier Oxhoftfässer voll Ale gesichert. »Ich hab Angst, Jeremy«, sagte Wouter mit dünnem Piepsen in der undurchdringlichen Finsternis.
    Wie so oft sagte Jeremy nichts.
    »Vader sagt, sie haben den Bruder vom alten patroon hier ganz in der Nähe begraben, gleich hinterm Haus ... Was ist, wenn, wenn er noch, na, du weißt schon – wie so ein Geist? Der könnte doch durch die Erde reinkommen, und dann –«
    Jeremy knurrte. Dann folgte eine Serie von Geräuschen, die tief im Innern seines Schlunds erzeugt wurden: Schnalzen, Zwitschern, Gurgeln, all die gedämpften Laute eines privaten Sprachsystems. Was er sagte, war: »Du reißt deine Klappe auf, und die schmeißen uns in die hier rein.«
    Gegen die Richtigkeit der Feststellung konnte Wouter nichts einwenden, doch war sie ihm kein großer Trost. Sein Hosenboden war klatschnaß, und darunter begann es zu jucken. Es kam ihm vor, als wäre das Dunkel jetzt sogar schwärzer als vorher. Er rückte noch näher an den Vetter heran. »Ich hab Angst«, sagte er.
    Irgendwann – wieviel später, wußte er nicht – drang ein Potpourri von vertrauten Geräuschen aus der Leere über ihnen in die Zelle, dann ertönte das eilige Getrappel von Schritten auf der Falltür, dem das zittrige Krächzen einer alten, verdorrten Stimme folgte. »So, mein Junge«, schnaufte sie, »du rollst jetzt diese Fässer wieder dorthin, wo sie immer stehen, und dann machst du die Klappe auf, aber schnell!« Von oben schien matt und diffus etwas Licht herein. Fässer rumpelten über ihren Köpfen. »So etwas kann man doch nicht angehen lassen«, fuhr die Stimme auf holländisch leise nörgelnd fort, »kleine Jungen einfach wie abgefeimte Verbrecher zu behandeln ...«
    Als die Falltür aufgegangen war, reckten sie die eingeschlafenen Beine und steckten die Köpfe durch den Spalt wie zwei Murmeltiere am Ausgang ihres Baus. Genauso neugierig, wie sie emporspähten, spähte von oben, ganz in Schwarz gekleidet, die bucklige, uralte Mutter des patroon herab; vor sich hielt sie wie einen Talisman eine Talgkerze. Neben ihr stand, mit funkelnden Augen, ein Sklave, der nicht viel älter war als Jeremy – und ein Wesen, das Wouter in seiner Verwirrung zunächst für einen Engel aus Elysium hielt. Dann aber kicherte der Engel, und der Bann war vorerst gebrochen. »Wollt ihr wohl endlich da rauskommen!« zeterte die Alte, als hätten sie sich selbst in dieses stinkende, stickige Loch gesperrt, weil die Lust darauf schlichtweg unwiderstehlich gewesen war.
    Wouter sah Jeremy an. Das steinerne Profil seines Vetters zeigte keinerlei Regung, doch sein vorspringender Adamsapfel hob und senkte sich zweimal rasch hintereinander. Daraufhin stieg Jeremy behende und so gelassen wie der patroon persönlich aus der Grube und stand vor der kleinen Gruppe, die sich in dem größeren Kellerraum, wo auf roh gezimmerten Holzregalen Fässer voll Bier, Apfelwein und Butter, Kannen mit Milch und Käselaibe bis unter die Decke gestapelt waren, versammelt hatte. Wouter war eingeschüchtert und orientierungslos, immer noch drohten gespenstische Bilder seinen Augen Streiche zu spielen: die alte Vrouw Van Wart hätte ein in Leichentücher gehüllter Grabschänder sein können, der Sklavenjunge ein pechschwarzer Lakai des Teufels, aber das Mädchen – nun, das Mädchen war eindeutig eine himmlische Fürsprecherin, die gesandt worden war, um seine Seele zu kämpfen. »Raus jetzt!« krächzte die Alte plötzlich und packte ihn grausam am Ohr, dann war auch er oben und dem Grab entkommen.
    Die alte Dame sah ihn mißbilligend an, ihre Miene war grimmig, die Lippen zitterten. »Verstehst du kein Holländisch?« fauchte sie.
    Beschämt und den Tränen nahe begann Wouter gerade eine Antwort zu stammeln, als das Mädchen erneut kicherte. Er sah sie verstohlen an – das breite Grinsen ihrer vollen Lippen, ihre Augen, die ihn

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