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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Flüsterton.
    Fred war ein kleiner Kerl mit Knebelbart, dürren Beinen und dem Oberkörper eines Gewichthebers. Er stand auf Wortspiele und konnte sich auch jetzt nicht bremsen. »Da können wir reinkacken, wenn der uns erwischt.«
    Rick kicherte. »Der läßt uns kielholen.«
    »Läßt euch glatt über Bord gehen, der Typ, was?« sagte Mardi, die sich langsam einhörte. Aus irgendeinem Grund, der vermutlich mit der Mondlandung, den Ufos und den akustischen Eigenschaften der schneestiebenden Luft zu tun hatte, schien ihre Stimme über den Fluß zu hallen, als ob sie ihre Lieblingsmannschaft mit dem Megaphon anfeuerte. Jemand reichte ihr den Joint. Sie nahm einen Zug und war still.
    Eine Zeitlang blieben alle stumm. Der Joint ging herum, war nur noch Filter, wurde weggeschnippt. Der Schnee balsamierte sie ein. Bärte wurden weiß, Mardis Haar sah noch wilder aus. Die Musik setzte aus und begann von neuem mit einer gehetzten Geige und dröhnendem Baß. Fred zog einen zweiten Joint hervor, und alle kicherten verschwörerisch.
    Irgendwann – wann genau oder wie spät es eigentlich war oder wie lange sie schon dort gestanden hatten, wußte Tom nicht – nahm Mardi ihn beiseite und sagte ihm, sie fände es bescheuert, daß er mit Walters Frau, dieser Kuh, zusammenlebte, und Tom – Ex-Heiliger, angehender Wassergeist und feuriger Liebhaber – sah sich plötzlich genötigt, seine große Flamme verteidigen zu müssen. Das Schneetreiben wurde heftiger, und ihm wurde schwindlig. Rick und Bernard waren in eine Debatte über die Zufahrt zu irgendeiner Antilleninsel verstrickt, und Bootsmann Fred bemühte sich ohne Erfolg, die Unterhaltung zurück zu der Geschichte zu bringen, wie er mitten in einem Sturm heldenhaft die Wanten erklommen hatte, um das verwickelte Großsegel freizumachen, und wie er dabei abgerutscht und auf das Deck gestürzt war und sich sechsmal den Arm gebrochen hatte.
    »Wieso denn ›Kuh‹? Was erzählst du da überhaupt?« protestierte Tom. »Jessica ist echt cool, alles paletti –«
    »Die ist viel zu dürr.«
    Toms Haar war naß. Sein Bart war naß. Seine Jeansjacke und das Kapuzenhemd darunter waren naß. Er spürte allmählich die Kälte, und das unklare Gefühl überkam ihn von neuem. Jessica suchte bestimmt längst nach ihm. »Dürr?«
    »Ja, die hat doch keine Titten. Zieht sich an wie irgend’ne Oma, oder etwa nicht?«
    Ehe Tom antworten konnte, packte Mardi ihn am Arm und senkte die Stimme. »Du hast mich doch mal gemocht«, sagte sie.
    Das war unbestreitbar. Er hatte sie mal gemocht. Mochte sie immer noch. Auch jetzt, in diesem Moment. Er hatte sogar gute Lust – aber nein, er liebte Jessica. Hatte sie immer geliebt. Teilte sein Haus mit ihr, sein Sojafleisch, seine Zahnbürste, seine Koje an Bord der Arcadia .
    »Was hast du denn gegen mich?« Mardi drückte sich jetzt gegen ihn, und ihre Hände, unbehandschuht und heiß, hatten sich irgendwie unter sein Hemd geschlängelt.
    »Gar nichts«, hauchte er ihr ins Gesicht.
    Dann grinste sie, schob ihn von sich weg, zog ihn wieder heran und drückte ihm so blitzartig einen Kuß auf, als wollte sie ihn überlisten. »So«, sagte sie, atemlos, warm, nach Seife, Parfüm, Kräutern, Wildblüten und Räucherstäbchen duftend, »ich muß jetzt los.«
    Sie war fünf Schritte entfernt, fast schon vom wirbelnden Schnee verschluckt, da drehte sie sich noch einmal um. »Ach ja«, meinte sie. »Noch was. Eigentlich sollte ich dir das gar nicht erzählen, weil ich böse auf dich bin, aber du bist einfach zu süß. Hör zu, nehmt euch vor meinem Alten in acht.«
    Der Schnee war wie eine Decke. Das unklare Gefühl war wie eine Decke. Er versuchte, sie sich vom Kopf zu ziehen. »Häh?«
    »Kennst doch meinen Vater. Der haßt euch.« Sie deutete auf das Zelt, den Pier, den hohen dunklen Mast der Arcadia . »Das alles hier.«
    Hätte er nicht so dringend pissen müssen – das viele Bier und so weiter –, wäre er Jessica viel früher begegnet. Sie suchte nämlich tatsächlich nach ihm. Und sie kam auch dort vorbei, wo Rick, Bernard und Fred sich zusammendrängten und schwadronierten, nur hatte Tom die Runde soeben verlassen, um im pfeifenden Sturm davonzuwandern und den Neuschnee zu taufen. Dummerweise verlor er irgendwie die Orientierung, und das Schneetreiben war so stark, daß er auf einmal um alles Gras dieser Welt nicht mehr wußte, wo er war. Die Band legte gerade eine Pause ein, also half ihm auch die Musik nicht weiter, und sogar der Partylärm war

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