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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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erfrorenen Händen auf der Ruderpinne getrommelt – was soll’s, er würde auch mit einem Albatros um den Hals herumlaufen, wenn es der Sache diente –, aber die Arcadia sollte ja über den Fluß informieren, und es war verteufelt schwer, bei Temperaturen von minus zehn Grad die Aufmerksamkeit der Leute zu behalten, wenn ihnen mit jedem Eintauchen des Bugs das eisige graue Spülicht der Gischt ins Gesicht klatschte. Deshalb segelten sie jetzt flußaufwärts, um über Winter in Poughkeepsie vor Anker zu gehen; in zwei Tagen würde der Ex-Heilige der Wälder nach Van Wartville zurücktrampen und bis zum Frühling in der gemütlichen, ölbeheizten Bude seines Großvaters ins Trockendock gehen.
    Einstweilen aber – für diesen pulsierenden, glorreichen, windgepeitschten Moment – war er noch auf dem Wasser. Kämpfte sich stromaufwärts gegen den starken Gegenwind, stand stolz und triefnasig am Ruder, während der Skipper, der Erste Maat und der Bootsmann unten beim Kaffee saßen. Jessica war auch unten, stützte die Ellbogen auf den großen, quadratischen Eßtisch in der Kajüte und büffelte die Morphologie des Borstenwurms, die helle Seide ihres Haars fiel nach vorn, kitzelte sie in den Ohren und verbarg ihr Gesicht. Er sah hinaus auf das graue Wogen des Flusses – kein einziges anderes Schiff in Sicht –, dann sah er durch die naßgespritzte Scheibe in die Kajüte. Das Schiff stampfte unter seinen Füßen. Der Kapitän trank Kaffee. Jessica las im Lehrbuch.
    Sie umrundeten gerade den Dunderberg und fuhren in den Horse Race ein, rechts tauchten Manitou Mountain und Anthony’s Nose auf, links erhob sich der Bear Mountain. Sie waren mittags von Haverstraw ausgelaufen und wollten für die Nacht in Garrison andocken. Normalerweise wären sie in einer Stunde da, doch der Wind blies ihnen stetig entgegen, und es war Ebbe. Unmöglich zu sagen, wann sie eintreffen würden. Tom musterte den Himmel und fand, daß er nicht gut aussah. Er schnupperte die Brise und roch Schnee. Scheiße, dachte er, ausgerechnet heute.
    Doch dann hellte sich seine Miene auf. Ob Schnee oder nicht, auf jeden Fall waren sie unterwegs zu einer Party. Am Hafen von Garrison. Und losgehen konnte es erst, wenn sie da waren. Im strahlenden Sonnenlicht genoß er die Berge, den aufgewühlten Fluß, das Gleiten und abrupte Niederstürzen der Möwen; er atmete tief ein und schmeckte die Gischt. Eine Party, dachte er und wendete den Gedanken so lange hin und her, bis er das Essen riechen und die Musik hören konnte. Aber nicht irgendeine Party – nein, es würde eine gigantische Jahresabschlußfete für die Mitglieder und Freunde der Arcadia werden, ein Fest der stampfenden Füße, winkenden Hände und wilden Volkstänze, angereichert mit einem Mini-Konzert, bei dem Will Connell, der Guru selbst, und die Tucker, Tanner & Turner Bluegrass Band aufspielen sollten. Sie hatten ein riesiges Zirkuszelt mit elektrischen Heizstrahlern auf der Wiese aufgestellt, und die Leute würden tanzen, es würde Bier geben, ein Freudenfeuer, scharfes Essen und noch schärfere Drinks. Es war ein großer Tag. Ein toller Tag. Das Jungfernjahr der Arcadia war vorüber, und jetzt war sie auf dem Weg ins Winterquartier.
    Der Himmel wurde finster. Die Wellen schäumten mächtig auf. Ein Graupelschauer hatte eingesetzt, stechende Nadeln vom Wind gepeitscht. Und was für ein Wind – auf einmal spielte er ihnen Streiche, blies eben noch stetig vom Bug herein, fegte in der nächsten Minute hinterrücks gegen das Heck, dann drehte er urplötzlich auf die Backbordseite. Eine Bö versetzte dem Großbaum einen Schlag, schleuderte ihn halb herum und riß dem mageren Ex-Heiligen fast die Ruderpinne aus den tauben Händen. Acht Mann Besatzung waren an Bord, und alle acht – plus Jessica – mußten mit anpacken, ehe es vorbei war.
    Barr Aiken, der Kapitän der Arcadia , ein Mann, für den Tom ohne Zögern in die tosende See gesprungen wäre oder ganz allein die Küstenwache in Schach gehalten hätte – es hätte nur eines Wortes bedurft –, stürmte beim ersten Rucken des gewaltigen, mörderischen Großbaums durch die Kajüte und die Gangway hinauf wie ein Hürdenläufer beim Startschuß. Er rief alle Mann an Deck, löste Tom am Ruder ab, und in einer halben Minute war die gesamte Besatzung keuchend dabei, die Segel zu reffen. Der Kapitän war ein blasser, wettergegerbter Mann von fünfunddreißig Jahren aus Seal Harbor in Maine. Meist war sein Blick in die Ferne gerichtet, er machte ein

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