Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
zwischen zwei Schlucken heißer Schokolade. Aber nein, er mußte wohl geträumt haben.) Die morgige Etappe, die vereisten Decks, seine gelblich verfärbte Unterwäsche, alles war ihm egal. Er gähnte nur. Ein breites, jodelndes, kieferknackendes Gähnen, Ausdruck absoluten Friedens und Sättigung, und dann schlüpfte er in seine langen Unterhosen und kletterte in den Schneehuhn-Daunenschlafsack, die Geliebte an seiner Seite. So lag er einen Moment lang da, nahm die Atmosphäre von ruhigem Glück und Erfülltheit, die sanft über der Kajüte lag, in sich auf und schloß dann die Augen.
    In der Koje war es gemütlich. Der Fluß wiegte sie. Es schneite weiter.

WORLD’S END
    Es war eine dieser Preßglaslampen mit handbemaltem Schirm, uralt, keine Frage, und unbezahlbar, und Walter starrte sie an wie eine Kristallkugel. Er saß auf einer Chaiselongue im vorderen Salon des Museums, das Dipe sein Zuhause nannte, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, in der Hand ein Whiskyglas mit gediegenem Scotch, der vermutlich lange vor seiner Geburt destilliert worden war, und bemühte sich, eine Mentholzigarette in gebührend nihilistischer Weise zu rauchen. Seit einer guten Woche war er wieder aus Barrow zurück, aber gerade jetzt fühlte er sich auf einmal ganz seltsam, ihm war leicht schwindlig und übel. In seiner Leistengegend stach es, er schwitzte unter den Achseln; seine rechte Fußsohle juckte so furchtbar, daß er sich beinahe gekratzt hätte, hätte er sich nicht rechtzeitig gebremst. Es war komisch – oder nein, komisch war es überhaupt nicht –, aber es kam ihm fast vor, als spannte er sich gegen eine neuerliche Attacke der Geschichte an.
    Auf der Couch ihm gegenüber saß Dipe, der an seinem Scotch nippte und mit einem Runzeln der prachtvollen Stirn LeClerc Outhouse und einen Fremden in Trenchcoat und schwarzen Lederhandschuhen ansah. Der Fremde, dessen Namen Walter nicht verstanden hatte, trug einen derart rigorosen Kurzhaarschnitt, daß die Kopfhaut wie ein Reflektor durchschien. Weder knöpfte er den Trenchcoat auf, noch zog er die Handschuhe aus. »Eine Schande ist das«, sagte der Fremde und schüttelte langsam den Kopf, »eine wahre Schande. Und keinen scheint es zu kümmern.«
    LeClerc, der immer braungebrannt war, sogar im Winter, und dessen Lieblingsredewendung »verdammter Mist« lautete, sagte: »Verdammter Mist.«
    Seufzend lehnte sich Dipe auf der Couch zurück. Er sah kurz zu Walter hinüber, dann wieder zu LeClerc und dem Mann im Trenchcoat. »Na ja, versucht hab ich’s. Keiner kann sagen, daß ich’s nicht versucht habe.« Er nahm einen Schluck Scotch und seufzte in sein Glas. Die anderen machten zustimmende, tröstende Geräusche: ja, er hatte es versucht, das wußten sie. »Wenn nicht das verfluchte Wetter gewesen wäre ...« Er wedelte in einer nutzlosen Gebärde mit der Hand zur Decke hinauf.
    »Verdammter Mist«, sagte LeClerc.
    Depeyster stellte das Glas ab, und der Fremde beendete den Gedanken für ihn: »– dann hätten die ihren Wasserzirkus keine halbe Meile weit an den Hafen von Garrison herangebracht.«
    »Verdammter Mist«, sagte LeClerc.
    »Schnee«, knurrte Depeyster, und sein Knurren klang, als ob es Scheiße von den Bäumen regnete.
    In diesen Bahnen verlief die Unterhaltung nun schon eine gute Stunde lang. Walter war mit Depeyster aus der Firma nach Hause gekommen und zum Abendessen mit Joanna, LeClerc und dem finsteren Fremden geblieben, der die Handschuhe sogar beim Bestreichen seines Butterbrotes anbehielt. Mardis Platz blieb frei. Walter schmeckte das Essen nicht. Es schneite – unzeitgemäß, unzumutbar – seit drei Uhr.
    Das Hauptthema des Abends war die Arcadia und Dipes vereitelter Versuch, eine Demonstration gegen ihr Einlaufen in Garrison zu organisieren, »oder, Scheiße noch mal, irgendwo sonst an diesem Ufer des Flusses«. Tragendes Element dieser Demonstration hätte eine Flottille aus dem Peterskill Yacht Club sein sollen – vom Kabinenkreuzer bis zum Dinghi, alles dabei –, die mit Flaggen und Spruchbändern nordwärts gefahren wäre, um die Arcadia erst ein bißchen zu belästigen und ihr dann durch die schiere Überzahl die Zufahrt zum Pier von Garrison zu versperren. Das einzige Problem war das Wetter gewesen. Dipe war am Mittag mit Walter zum Yachthafen hinuntergefahren, wo sich nur drei Bootseigner eingefunden hatten. Alle übrigen hatten sich vermutlich vom böigen Wind und der Vorhersage von fünf bis zehn Zentimeter Neuschnee entmutigen lassen, die

Weitere Kostenlose Bücher