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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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später auf über dreißig revidiert wurde.
    »Apathie ist das«, fauchte Depeyster. »Keiner gibt mehr einen Dreck auf irgendwas.«
    »Verdammter Mist«, sagte LeClerc.
    Der Fremde nickte.
    »Wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre«, sagte Depeyster und sah wiederum Walter an.
    »Eine Schande ist das«, flüsterte der Fremde kummervoll, und ob er damit Depeysters Alter oder die kommunistisch inspirierten, antiamerikanischen Freveltaten meinte, die langhaarige Hippies in ebendiesem Augenblick und keine fünf Meilen von seinem Whiskyglas entfernt verübten, wurde nicht ganz klar.
    Walter wartete eine Klärung nicht ab. Urplötzlich attackierten ihn die furchtbarsten, stechendsten Magenschmerzen, die er je gehabt hatte. Er fuhr in die Höhe, beugte sich vor, um das Whiskyglas auf ein Kaffeetischchen zu stellen, das vermutlich älter als der Brauch des Kaffeetrinkens war. Wieder der stechende Schmerz. Mit zitternder Hand drückte er die Zigarette aus. »Hast du irgendwas?« fragte ihn Dipe.
    »Ich –« das Aufrichten tat ihm sichtlich weh, »– ich glaube, ich ... habe bloß Hunger, sonst ist nichts.«
    »Hunger?« echote LeClerc. »Nach so einem Essen?«
    Lula hatte ihnen Cordon bleu, Kartoffelbrei und Spargel aus der Dose serviert, selbstgebackenen Apfelkuchen, Eiskrem und Kaffee zum Nachtisch. Walter hatte zwar kaum Appetit gehabt, aber trotzdem höflich zugelangt und eine bescheidene Portion vertilgt, ohne gleich den Teller blankzuputzen. Jetzt aber, noch während ihm die Worte über die Lippen kamen, merkte er, daß der abrupte Schmerz, dieses vulkanische Zusammenziehen und Wiederausdehnen in ihm, bohrender Hunger war. Und er war wirklich hungrig. Aber nicht nur hungrig. Heißhungrig, lechzend, gierig – nach dem Geruch, dem Gefühl und dem Geschmack von Essen.
    Dipe lachte. »Der Junge wächst ja noch. Du weißt doch, wie das ist, wenn man ständig wächst, LeClerc?« Damit spielte er auf LeClercs hervorquellenden Bauch an. Der Fremde lachte. Kicherte jedenfalls. Die trübe Stimmung hob sich kurzfristig.
    »Geh in die Küche, Walter«, sagte Dipe. »Räum den Kühlschrank aus, mach die Schränke leer – du kannst dir gerne nehmen, was ich habe, das weißt du ja.«
    Walter war schon im Korridor, als der Fremde ihm nachrief: »Bring mir ein paar Erdnüsse oder so was mit, ja?«
    Das erste, was er beim Öffnen des Kühlschranks sah, war ein Sechserpack Budweiser. Er wollte gar kein Bier, eigentlich nicht, aber er machte trotzdem eins auf und leerte es. Neben dem Bier standen die Überreste des Apfelkuchens – beinahe die Hälfte war noch übrig – in der Backform. Walter machte kurzen Prozeß damit. Im Wurstfach fand er ein halbes Pfund Pastrami, ein steinhartes Stück Parmesan und sechs dünne rosa Scheiben Roastbeef in Klarsichtfolie. Ehe er so recht wußte, was er tat, hatte er sich das ganze Zeug in den Mund gestopft und mit einem zweiten Bier hinuntergespült. Er griff gerade nach einem grellbunten Becher mit Schlagsahne und hatte vor, sich etwas davon in die Kehle zu schütten, als überraschend Mardi hereinkam.
    »Oh, äh, hallo«, sagte er und klappte schuldbewußt die Kühlschranktür zu. Er hielt ein Bier in der einen Hand, und irgendwie war ein Glas mit marinierten Artischockenherzen in die andere gelangt.
    »Was läuft?« fragte Mardi lakonisch. Ihre großen Augen blickten amüsiert, aber auch ein wenig stumpf. Sie trug einen fleischfarbenen Bodystocking, Cowgirl-Stiefel, keinen BH. Den Waschbärfellmantel und einen Wollschal hatte sie über dem Arm. Sie stank nach Dope. »Frißt dich voll, was?«
    Walter stellte das Bier ab, um das Glas aufzuschrauben. Mit den Fingern fischte er zwei Artischockenherzen heraus und schob sie sich in den Mund, tupfte mit der Hand das an seinem Kinn hinabrinnende Öl ab. »Ich hab Hunger«, sagte er schlicht.
    »Wieso ziehst du nicht gleich hier ein?« fragte sie mit rauhem Flüstern. »Nimm doch mein Zimmer.« Sie machte den Kühlschrank auf und nahm sich auch ein Bier.
    Durch das Haus drang ein dröhnendes Lamento und die gedämpften, aber unverwechselbaren Töne von LeClerc Outhouse, der eine ungehörte Aussage kommentierte: »Verdammter Mist.«
    Walter konnte sich nicht beherrschen. Er aß die Artischocken auf – es waren nur etwa zwölf drin – und hob, noch im Kauen, das Glas an die Lippen, um das dicke, mit Kräutern gewürzte Olivenöl zu schlürfen, in dem sie eingelegt waren.
    Mardi setzte die kleine Bierflasche ab und beobachtete ihn mit gespieltem Grausen.

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