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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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dahingerafft hatte?
    Nein, hatte er gesagt und den Kopf geschüttelt, nein, und sie hatte sich gefragt, ob er damit auf ihre Frage antwortete oder irgendein Schreckensbild von sich wies, das sie nur erahnen konnte. Das Feuer, murmelte er, und seine Stimme kam langsam und stockend wie die Stimme des Einsiedlers, des Parias, des Klausners, der nur zu Bäumen und Vögeln sprach. An jenem verhängnisvollen Nachmittag waren alle draußen auf den Feldern gewesen, hatten Unkraut gejätet und mit Töpfen geklappert, um die maes dieven von Mais und Weizen fernzuhalten – das heißt, alle außer Katrinchee, die mit dem Kitchawanken Mohonk fortgelaufen war. Jeremias war inzwischen wieder zu Kräften gekommen und konnte sich mit der selbstgeschnitzten Kirschholzkrücke recht gut fortbewegen, aber seine besorgte Mutter hatte ihn zum Vögelscheuchen geschickt, während sie und Wouter die schwereren Arbeiten verrichteten. Als das Gewitter losgebrochen war, hatte er sie aus den Augen verloren; das nächste, an das er sich erinnerte, war das brennende Blockhaus. Als später Staats und der alte Oothouse gekommen waren, hatte Jeremias sich mit den Rindern im Wald versteckt, vor Schreck und Angst und Scham. Doch nun konnte er sich nicht länger verbergen.
    »Jeremias?« wiederholte Staats, in dessen Züge Begreifen einsickerte wie Wasser durch ein Loch im Dach. »Eher bring ich sie um«, sagte er und funkelte Joost und den Verwalter an.
    In diesem Moment erschien der Gegenstand der Kontroverse in der Tür zum hinteren Zimmer – ein schmaler, wenn auch für sein Alter großer und grobknochiger Junge. Er trug ein wollenes Hemd, Kniehosen und einen einzelnen dicken Socken, ausgeborgt vom ältesten Sohn der van der Meulens, und er stand breitbeinig in der Tür, trotzig auf das Holzbein gestützt. Seinen Blick sollte Joost nie wieder vergessen. Es war ein Blick voller Haß, voller Auflehnung und Verachtung für Autoritäten, für Rapiere, Degengehenke, Silberfedern und Pachtrechnungen. Selbst der patroon wäre eingeschüchtert gewesen, hätte er sich diesem Blick stellen müssen. Jeremias sprach mit leiser, sanfter Kinderstimme, doch der Hohn darin war unüberhörbar. »Sucht Ihr nach mir?« fragte er.
    Im Sommer darauf sollten dramatische, einander überstürzende Veränderungen über Nieuw Amsterdam und die verschlafenen Siedlungen am Nord-Fluß hereinbrechen. Es begann an einem trägen, heißen Vormittag Ende August, als Klaes Swits, ein Muschelsammler aus Breucklyn, von seinem Kratzhaken aufblickte und fünf britische Kriegsschiffe bemerkte, die mitten in der Flußmündung vor Anker lagen. In seiner Eile, dem Gouverneur und dessen Ratsherren diese außergewöhnliche Entdeckung mitzuteilen, ließ er unglücklicherweise den eigenen Anker los, zerbrach überdies beide Ruder und den Kratzhaken und mußte schließlich von der südlichen Breucklyn-Bucht bis hinüber zur Battery auf Indianerart mit den Händen paddeln. Wie sich herausstellte, war der Einsatz des Muschelsammlers überflüssig – denn drei Stunden später wußte ganz Nieuw Amsterdam, daß die Flotte unter dem Kommando des Colonel Richard Nicolls von der Royal Navy stand, der sofortige Kapitulation und die Übergabe der gesamten Provinz an Charles II., den König von England, verlangte. Charles erhob Anspruch auf das gesamte Territorium der nordamerikanischen Küste vom Cape Fear River im Süden bis zur Bay of Fundy im Norden, und zwar unter dem Titel englischer Forschungsfahrten, die der Übertölpelung der Manhattoes durch die Holländer vorangegangen waren. John Smith sei schon lange vor den holländischen Käsefressern dort gewesen, beharrte Charles, und Sebastian Cabot ebenfalls. Und falls das noch nicht Grund genug wäre, so sei auch die Insel der Manhattoes sowie der Fluß, der sie umspülte, von einem Engländer entdeckt worden, selbst wenn dieser unter der Flagge der Niederländer gesegelt war.
    Pieter Stuyvesant gefiel das gar nicht. Er war ein rauher, kämpferischer, streitlustiger Friese von echtem Schrot und Korn, der gegen die Portugiesen ein Bein verloren hatte und sich freiwillig niemandem ergab. Voller Verachtung zischte er Nicolls an: komme, was wolle, er würde die Engländer bis auf den Tod bekämpfen. Leider hatten die braven Bürger von Nieuw Amsterdam, denen das Monopol der Westindischen Compagnie ohnehin ein Ärgernis war, die Steuerpflicht ohne Wahlrecht längst satt; den despotischen Gouverneur haßten sie wie den Leibhaftigen und verweigerten ihm die

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