World's End
hinterhertrottete.
»Van Brunt!« rief der Verwalter, als sie vor dem leeren Unterstand und dem Schneehügel ankamen, unter dem die Leiche des unglücklichen Ochsen begraben lag. »Kommt auf der Stelle heraus!«
Keine Antwort.
In einem wahren Hurrikan ließ der Verwalter einen wütenden Wortschwall los, in den er Begriffe wie Frechheit, Unverschämtheit und Unverfrorenheit einbrachte, bis Joost auf eine halbverschneite Fußspur hinter dem Unterstand zeigte. Dahinter war ein weiterer Abdruck, und dahinter noch einer. Nach eingehender Untersuchung und nach vollen sechzig Sekunden, die er der logischen Schlußfolgerung widmete, stellte der Verwalter fest, dies müsse die Fährte des jungen Van Brunt sein, nämlich der Abdruck eines einzelnen Schuhs – des linken –, und parallel dazu die flache Schneise zwischen zwei Löchern, die das Holzbein gezogen hatte.
Obwohl es nicht mehr schneite, war der Wind heftiger geworden, und es dämmerte schon. Joost fand, sie sollten es nun gut sein lassen – der Junge war weg, das war das Wichtigste. Aber der Verwalter, ein sorgfältiger Mensch, fühlte sich verpflichtet, der Sache nachzugehen. Nach kurzem Wortwechsel – Wo soll er schon hingehen, fragte Joost, zurück nach Zeeland vielleicht? – machten sich die beiden langsam stapfend auf, dem Jungen nachzuspüren und ihn ordnungsgemäß hinauszuwerfen.
Wie ein ausgefranstes Band schlängelte sich die Fährte in den dichten Wald hinein, in dem Rebhühner gackerten und Truthähne auf den bodennahen Ästen hockten. Hinter dem Wäldchen lagen unzählige Hügel, kugelrund wie Igel und dicht bewaldet, die Heimstatt von Heidhühnern, Tauben, Rehen, Fasanen und Elchen sowie von Luchsen, Pumas und Wölfen, die auf sie lauerten. Und jenseits der Hügel lagen die mächtigen, düsteren Berge – Dunderberg, Suycker Broodt, Klinkersberg –, die den Fluß verschluckten und sich zum Kaaterskill-Gebirge erhoben, dahinter namenlose Gebiete, die sich bis zu dem fernen Punkt erstreckten, wo die Sonne unterging. Joost warf einen Blick auf dieses wilde Territorium mit seinen unbekannten Schrecken, er sah die Dunkelheit hereinbrechen und spürte die abgestorbenen Zehen in den Stiefeln nicht mehr; er gab dem Pferd die Sporen und betete, die Fährte möge sie zu den schimmernden Lichtern und den wohligen Feuerstellen des oberen Gutshauses führen.
Führte sie aber nicht. Jeremias war nach Südosten gegangen, in weitem Bogen um das Gut herum, auf van der Meulens Farm zu. Joost und der Verwalter sahen, wo er stehengeblieben war, um in den Schnee zu pinkeln, ein paar vertrocknete Beeren abzureißen oder auf einem Stück Borke herumzukauen; sie sahen, wie das Holzbein schwerer geworden war und sich tiefer in den Schnee gegraben hatte. Und schließlich, zu ihrer unsagbaren Erleichterung, sahen sie, daß die Spuren tatsächlich über die Brücke am Meulen Brook führten, vorbei am großen Brettertor der Scheune von Staats van der Meulen und hinein in die warme, von Kerzen erhellte und nach Brot duftende Küche der Vrouw van der Meulen, einer bis hinüber nach Croton für ihre honingkoeken und appelbeignets berühmten Frau.
Falls sie mit Gastlichkeit gerechnet hatten, falls sie außer der Wärme von Meintje van der Meulens Küche auch ein Lächeln erwartet hatten, wurden sie enttäuscht. Sie empfing sie an der Tür mit einer Miene, die um keinen Deut wärmer war als die Nacht im Rücken der beiden Männer. »Goeden avend«, sagte der Verwalter und zog mit schwungvoller Gebärde seinen Hut.
Vrouw van der Meulens Blick schoß argwöhnisch zwischen dem Verwalter und dem schout hin und her. Hinter ihnen ertönte gedämpft das Muhen der Rinder, denen Staats van der Meulen vom Dachboden der Scheune Heu hinunterschaufelte. Meintje erwiderte den Gruß des Verwalters nicht, sondern trat nur zurück und machte ihnen die Tür auf.
Innen war es wie im Himmel. Das vordere Zimmer, das so breit wie das ganze Haus war und den Löwenanteil der Wohnfläche einnahm – hinten lagen noch kleinere Schlafkammern –, war warm wie ein Federbett mit einer braven Frau und zwei Hunden darin. Flackernde Kohlen glimmten im riesigen Herd, und der große rußgeschwärzte Topf, der darüber hing, verströmte einen geradezu berauschenden Duft nach Fleischbrühe. Im Kachelofen buken Brotlaibe – Joost konnte sie riechen, Manna und Ambrosia –, und in einem kleinen Pfannengestell über einer Handvoll Kohlenglut auf der Herdplatte brutzelte Maisbrei. Der Speiseschrank stand offen,
Weitere Kostenlose Bücher