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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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wuchernden fetten Kürbissen in Heshs Garten, und fuhr auf den Asphalt der Baron de Hirsch Road, der in der Hitze zerfloß.
    Wenn er all die Jahre hindurch geschlafen hatte, sich der Wucht der Geschichte und der Mythen, die ihn geformt hatten, nicht bewußt gewesen war, so war er immer noch nicht richtig wach. Zum Beispiel stellte er die Verbindung zwischen diesem Depeyster Van Wart und dem Namen der infernalischen Werkzeug- und Formgußfabrik nicht her, die ihn in den vergangenen zwei Monaten zum Mindestlohn beschäftigt hatte, assoziierte nie diese düstere Legendengestalt mit dem dunklen dröhnenden Loch, in dem er das Heulen der Drehbank so fürchten gelernt hatte, wie er das Kreischen eines Aasvogels gefürchtet hätte, der jeden Tag niederstieß, um ihm die Leber herauszuhacken. Nein: Depeyster Manufacturing war bloß ein Name, sonst nichts. So wie Kitchawank Colony, Otis-Fahrstühle, Fleischmanns Hefepulver. So wie Peterskill oder Poughkeepsie. Für ihn hatte er keine Bedeutung.
    Er legte den ersten Gang ein und fuhr ruckend los, der neue Fuß gefühllos auf dem Gaspedal, und er war bereits an der Kreuzung, als ihm klar wurde, daß er gar nicht wußte, wohin er fahren sollte. Van Wart. Wo würde er Van Wart überhaupt finden? Allein in Peterskill gab es wahrscheinlich an die dreißig Van Warts. Während er auf die Bremse trat und sich ratlos umsah, fiel sein Blick auf Skips Texaco-Tankstelle, auf die beiden Zapfsäulen und die Telefonzelle, direkt vor ihm auf der Straße. Er hielt an, hievte sich aus dem Wagen und blätterte im Telefonbuch.
    VAN WART, las er, DEPEYSTER R. – VAN WART RD. 18, VAN WARTVILLE.
    Er hatte einen Fuß verloren und war von den Gespenstern der Vergangenheit heimgesucht worden, er hatte stumm der Geschichte vom Verrat und der feigen Flucht seines Vaters zugehört; seine Sinne waren taub. Van Wartville. Es hatte für ihn keine Bedeutung. Nur eine Adresse.
    Er nahm den Mohican Parkway zum oberen Ende der Van Wart Road, weil er nicht wußte, in welche Richtung die Hausnummern zählten, und stellte verärgert fest, daß er sich am falschen Ende befand. Der erste Briefkasten, an dem er vorbeikam, machte ihm das klar. Auf dem rostigen, zerfallenen Kasten, dem Opfer unzähliger Schrammen und anderer Verfehlungen des Straßenverkehrs, stand, in einer Schrift, die an abgewandeltes Aztekisch erinnerte: FAGNOLI, 5120. Auf dem Weg nach Südwesten, nach Peterskill hinein, sah Walter weder nach rechts noch links, die Straße war ihm so vertraut, daß er sie nicht mehr beachtet hatte, seitdem er in der achten Klasse auf dem Weg zur Musikstunde dort vorbeigekommen war. Er war nicht in Eile – so viele Jahre hatte es gedauert, bis er anfing, das Phantom seines Vaters zu verfolgen, also wozu sich hetzen? –, und doch, ehe er sich’s versah, gab er Gas, der fremde Fuß trat das Pedal voll durch, und Hydranten und Briefkästen flitzten an ihm vorbei wie Seiten in einem hastig durchblätterten Buch. Er raste durch ein Wäldchen mit Ulmen, Eichen und Platanen, vorbei an Autowracks, verschreckten Fußgängern und sich kratzenden Hunden. Das blinkende gelbe Licht bei Cats’ Corners nahm er mit hundert, für die S-Kurve dahinter schaltete er hinunter und kam mit hundertzwanzig aus der Rutschpartie heraus. Erst als er Tom Cranes Gelände passierte, die Radkappe am Baum und die schicksalsschwangere Viehweide dahinter, begann er langsam nach der Bremse zu tasten.
    Die Häuser standen jetzt dichter, wichen zu beiden Seiten von der Straße zurück und machten Rasenflächen Platz, die wie grüne Buchten und Meeresarme wirkten; dann kam eine Kirche, ein Friedhof, wieder ein blinkendes gelbes Licht. Rechts vor sich sah er einen Kombiwagen rückwärts aus einer Einfahrt stoßen, und weiter vorn, auf der anderen Seite, wie den Bodensatz eines Alptraums, die rätselhafte Gedenktafel, mit der die ganze Sache angefangen hatte. Jeremy Mohonk, brummte er vor sich hin. Cadwallader Crane. Einen beflügelten Augenblick lang stellte er sich vor, wie er schwungvoll auf die Gegenfahrbahn brach und über die Böschung hinausschoß, in einer Staubwolke auf diese heimtückische Tafel losdonnerte und sie mit anderthalb Tonnen rachgierigem schwedischem Stahl dem Erdboden gleichmachte. Doch dann wich er dem Kombi aus – schaltete herunter, stocherte nach dem Bremspedal – und ließ die Tafel, immer noch höhnisch himmelwärts geneigt, hinter sich. Gleich darauf, kurz vor der Stadtgrenze von Peterskill, fand er, was er suchte:

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