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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Nummer 18, die Ziffern waren in die steinerne Säule vor dem Tor zum alten Gutshaus auf dem Hügel eingraviert. Van Wart Manor. Van Wartville. Van Wart Road. Langsam verstand er.
    Auf sein Klingeln öffnete eine ältliche Schwarze in Baumwollhemd und Schürze, und sie kam ihm so vertraut vor, daß er meinte, er würde wieder halluzinieren. »Ja-ah?« Sie dehnte die Frage zu zwei vollen, jubilierenden Silben, fast jodelte sie. »Kann ich Ihnen helfen?«
    Walter stand auf einer Veranda, so groß wie das Achterdeck von einem der Geisterschiffe, die am Dunderberg vor Anker lagen. Das Haus, zu dem sie gehörte, ragte über ihm auf, verlor sich im Dunkel, erstreckte sich zu beiden Seiten wie ein riesenhaftes lebendiges Wesen, wie ein sintflutliches Monster, das aus der Tiefe aufgestiegen war, um ihn zu verschlingen. Er sah nackten Stein, in einem fernen Zeitalter aus der Erde gegraben und vom Alter geschwärzt; er sah Holzbalken, die vor vielen Jahrhunderten mächtige Eichbäume gewesen waren; er sah langettierte Schindeln, hölzerne Fensterläden, spitze Giebel, Kamine, ein Schieferdach von der Farbe des Morgenhimmels im Winter. Wie oft war er auf der Straße vorbeigefahren und hatte zu diesem Haus hinübergesehen, ohne ein Fünkchen Ahnung? Jetzt war er hier, stand auf der Veranda, vor der Tür, und er fühlte sich so wie am Morgen der Kartoffelpuffer. »Äh, tja«, sagte er. »Kann ich vielleicht mit Mr. Van Wart reden?«
    Er hatte die Szene die ganze Fahrt über im Auto geprobt. Da würde er stehen, der Sohn seines Vaters, vornübergebeugt auf den Krücken. Van Wart würde die Tür öffnen, Van Wart selbst. Das Ungeheuer, der schwarze Mann, der unbelehrbare Naziteufel, der Anstifter jener Unruhen, die über seinen Vater Schande gebracht und seiner Mutter das Herz gebrochen hatten. Van Wart. Jener Mann, der ein für allemal Verdammnis oder Ehrenrettung für den Namen Truman Van Brunt bringen konnte. Hallo , würde Walter sagen, ich bin Truman Van Brunts Sohn. Oder nein. Tag, ich heiße Walter Van Brunt. Sie haben doch meinen Vater gut gekannt, oder? Doch jetzt stand er auf den Stufen einer Villa, eines riesengroßen Zuckerbäckerhauses, das einer Erzählung von Hawthorne oder Poe entnommen sein konnte, und sprach mit einem Dienstmädchen, das aussah wie ... wie ... wie Herbert Pompey, und er fühlte sich fehl am Platze und seiner selbst nicht mehr so sicher.
    »Tut mir leid«, sagte sie, musterte seine Krücken, sein Haar, das ihm weit über den Kragen und die Ohren fiel, die siebenundzwanzig schwarzen Punkte auf seiner Oberlippe, die ein Schnurrbart sein mochten oder auch nicht, »der ist gerade nicht da.« Das Dienstmädchen jodelte nicht mehr, hatte dafür eine mißtrauische Miene aufgesetzt. »Was woll’n Sie denn von ihm?«
    »Nichts«, murmelte Walter, und er wollte gerade weitermurmeln, noch leiser und noch unverständlicher, daß er später wiederkommen würde, dachte bereits an die Bücherei von Peterskill, an die handgeschriebenen Karteikarten, die er für seine Schulaufsätze über den Staat Alaska, John Steinbeck und die Baltimore & Ohio Railroad benutzt hatte, und fragte sich gerade, ob er dort wohl einen Hinweis auf Mohonk oder Crane finden würde, als eine Stimme aus dem Innern des Hauses rief: »Lula? Lula, wer ist denn da?«
    Durch die offene Tür sah Walter schwere dunkle Möbelstücke, einen verschlissenen Perserteppich und ein düsteres Porträt an der Wand. »Niemand«, rief das Dienstmädchen über die Schulter, dann wandte sie sich wieder Walter zu. Dies hätte er als Aufforderung zum Gehen verstehen, auf seinen Krücken umdrehen und die Stufen hinunterpoltern können, über die Auffahrt und in sein Auto zurück, doch das tat er nicht. Statt dessen blieb er stehen, in den Achselhöhlen aufgestützt, und wartete, bis die Schritte zur Tür kamen und er in das braungebrannte, neugierige Gesicht einer Frau blickte, das ihm so bekannt vorkam, als wäre es ihm im Traum erschienen.
    Die Frau mußte etwa in Lolas Alter sein – oder nein, jünger. Vierzig oder so. Sie trug Cordhosen und Mokassins und so etwas wie ein indianisches Stirnband, das mit Plastikperlen verziert war. Sie musterte ihn verwirrt, warf einen Blick zum Dienstmädchen und sah dann wieder ihn an. »Kann ich Ihnen helfen?« fragte sie.
    Er halluzinierte, gar kein Zweifel. Das Dienstmädchen hatte Pompeys flache Nase und hervorquellende Augen, und diese Frau mit dem eisigen blauvioletten Blick, den hohen Backenknochen und dem

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