Worm
Karibik. Ebene drei besteht aus »Anwendungen«, den von Organisationen oder Einzelpersonen als ihre öffentliche Repräsentanz in der Cyberworld eingerichteten Domains. Diese Ebene steht unter der Aufsicht der ICANN , die in erster Linie für die Domain-Name-Registries verantwortlich ist, welche die Registrare autorisieren, bei denen wiederum die Endkunden (die Registranten) ihre Domainnamen erwerben. Die meiste Schadsoftware griff auf dieser obersten Ebene an, Ebene drei. Conficker machte sich Ebene zwei zunutze und verwendete das IP -Adressierungssystem, um ein Kommandozentrum zu errichten, das permanent seinen Standort wechselt.
Die unmittelbare Aufgabe lautete, den Zugang zu diesem Kommandozentrum zu blockieren. Hassen Saidi hatte den die Domains erzeugenden Algorithmus des Wurms auf die Uhr in seinem Labor justiert. Stellte er die Uhr vor, spuckte der Wurm wie vorgesehen die Liste der 250 Domainnamen für diesen betreffenden Tag in der Zukunft aus. Um dem Wurm eine Nasenlänge voraus zu sein, mussten die X-Men alle diese Domains im Voraus auf sich registrieren. Gelang ihnen das, blieb dem Schöpfer des Wurms keine Möglichkeit mehr, mit dem Botnetz zu kommunizieren. Schachmatt.
Die Sache hatte einen willkommenen Nebeneffekt: Kontrollierte man erst einmal alle Adressen, die das Botnetz tagein, tagaus kontaktierte, bekam man eine laufend aktualisierte Liste der infizierten Rechner frei Haus geliefert. Und je länger diese Liste wurde, umso wertvoller war sie. Wer auch immer diese Liste hatte, besaß das wertvollste Element des Botnetzes. Wollte man die Kontrolle über das Netz übernehmen, müsste man zwar den Code des Wurms knacken, aber schon die Liste an sich konnte man an Web-Scammer, Diebe oder sogar Regierungen verkaufen. Und ein Botnetz, das so groß war wie das von Conficker, würde unweigerlich einige besonders wertvolle, von Konzernen, Banken oder Regierungsbehörden betriebene Netzwerke enthalten.
Was Phil brauchte , war jemand, der sich mit dem Domainnamen-System besser auskannte als er – und dem er vertrauen konnte. Er kontaktierte Rick Wesson, der schon einmal mit ihm zusammengearbeitet hatte und ebenfalls in der Bay Area von San Fransisco lebte. Rick gehörte unter anderem ein kleiner Domain-Name-Registrar, ja, er war im Grunde weltweit einer der Ersten gewesen, die überhaupt wussten, was das ist.
Er zählte zur ersten Welle der großspurigen jungen Internetunternehmer, war einer der vielen jungen Geeks gewesen, die vor gut zwei Jahrzehnten in Scharen nach Kalifornien gezogen waren, um auf den gerade anfahrenden digitalen Zug aufzuspringen. Klein gewachsen, zwanglos gekleidet und das rötlichbraune Haar kurz geschnitten, hatte er sich trotz seiner gut vierzig Jahre das Aussehen und die Art eines College-Studenten bewahrt. Er bevorzugte T-Shirts und Jeans und pflegte ungeachtet seiner Errungenschaften und Erfolge den Habitus eines Jungstudenten – so zum Beispiel, als er 2007 auf einem Symposium, bei dem er einen Vortrag halten sollte, dem Publikum eröffnete, dass er einen »Hangover« habe und deshalb eine Präsentation »light« zu geben plane. Seine hohe, weiche Stimme täuschte mit ihrem Singsang über die ihm eigene Derbheit und Respektlosigkeit hinweg und machte sie umso verblüffender. Seinen schriftlichen Nachrichten ging dieser besänftigende Ton ab, denn sie fielen mitunter ziemlich schrill aus – »Ich werde es auf keinen Fall bleiben lassen, dir zu sagen, was ich denke«, schrieb er einmal einem Kollegen, der sich auf den Schlips getreten fühlte. »Gewöhn dich dran.« Rick hatte sich das meiste selbst beigebracht, und da Personalcomputer noch ziemlich neu waren, als er in die Materie einstieg, gab es nur wenige, die sich von der Erfahrung her mit ihm messen konnten. Zu Schulzeiten hatte er seine Hackerfähigkeiten dazu benutzt, sich und ein paar Freunden gefälschte Zeugnisse auszudrucken, woraufhin er von der Schule flog. Er fand einen Job im Bereich Computersicherheit, holte die für die College-Zulassung fehlenden Kurse nach und schrieb sich Ende der 1980er Jahre an der Auburn University ein – wo er sich gleich im ersten Studienjahr erstmals unternehmerisch betätigte und T-Shirts mit aufgedruckten Fraktalbildern verkaufte, die er heimlich auf den Computern der Fakultät für Ingenieurwissenschaft generiert hatte.
Rick neigte zum Hippietum, war damit aber leider gut zwei Jahrzehnte zu spät dran. 1992 machte er seinen Abschluss und nahm einen Job als Lehrer an
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