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Worum Es Geht

Worum Es Geht

Titel: Worum Es Geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ditfurth
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er nicht mehr nützlich ist, keiner Erwerbsarbeit nachgeht, schwer behindert ist, krank oder alt, dreht der Kapitalist vollends durch. Alles Geld, was der Wohlfahrt der Unnützen dient, schmälert seinen Profit. Diese Furcht befeuert eine Vielzahl utilitaristischer Diskurse, in denen der Mensch nach seiner ökonomischen Nützlichkeit bewertet wird.
    Bei der Flucht aus seinen Widersprüchen hilft dem Bürger und der Bürgerin, wenn sie die Opfer der Verhältnisse, von denen sie profitieren, für »selbst schuld« an ihrer miesen Lage erklären können. Deshalb die schrillen Töne aus den Musikantenstadln der deutschen Gesellschaft, aus dem Mainstream der Stammtische, der Wirtschaftsverbände und Kulturinstitutionen, der Sportvereine und Hochschulen. Die Armen sind
selbst schuld
an ihrem Elend, würden sie sich nur anstrengen, ihre Kinder ökologisch ernähren und nicht so viele schäbige Fernsehprogramme ansehen, obwohl die doch extra zu ihrer Ruhigstellung geschaffen wurden. Die Kranken sind
selbst schuld
– sofern nicht privat versichert –, gewiss haben sie geraucht, getrunken, in ungesunden Wohnungen an viel befahrenen Straßen gelebt und falsch gearbeitet. Die Alten sind
selbst schuld
, weil unproduktiv.
    Ganz besonders groß aber ist die
Selbstschuld
der »Fremden«. Angefeindet, staatlicherseits schikaniert und verfolgt sowie in jeder Hinsicht auf eigene Kosten versuchen antirassistische und antifaschistische Linke seit Jahrzehnten, den deutschen Inhumanismus zu bekämpfen. Aber Deutschland ist durchtränkt von einem in löchrigem Gehege gehaltenen Antisemitismus und vom Rassismus. Wenn, wie in der Münchner Reithalle, ein gutbürgerlicher Mob selbst moderat-kritische Fragen an Thilo Sarrazin niederbrüllt, dann sind wir mittendrin. Mit einem NPD-Verbot wäre diese Meute nicht erfasst.
    Weil die Angst vor dem sozialen Absturz das Bürgertum in guter deutscher Tradition aggressiv macht und nicht solidarisch, sind Hassbilder von feindlichen, fremden, minderwertigen Menschenmassen sehr wirksam. Denn mit der Obrigkeit und den Konzernspitzen, den oberen Etagen der sozialen Hierarchien, auf die sich ja sein Ehrgeiz richtet, legt sich ein deutscher Untertan selten an.
    Wenn
die Fremden
von Nazis ermordet werden, sind sie durch ihr
Fremdsein
irgendwie selbst dafür verantwortlich. Wenn sie im Mittelmeer ertrinken – hätten sie nicht zu Hause in »ihrer Kultur« bleiben können? Dann wären sie an unserer schließlich nicht zugrunde gegangen. Wenn sie in »Entwicklungs«ländern leben und dort verhungern, sind sie auch
selbst schuld
– warum sind sie auch »zu viele«?
    Was droht? Die Interessen der EU-Staaten prallen aufeinander. Das deutsche Kapital hat sich an EU-Europa groß gefressen und frisst weiter. Die Verbilligung der Arbeit in Deutschland hat die deutsche Exportwirtschaft an die Spitze katapultiert. Durch deutsche Mitverantwortung brechen ärmere europäische Staaten vollends ein. Die Bevölkerungen etwa von Spanien und Griechenland bekommen das zu spüren. Aber über die geostrategischen Interessen Deutschlands wird nur im Ausland diskutiert, hier lediglich in linken Publikationen, so dass hier fast niemand versteht, was das Gekauder »Europa spricht jetzt deutsch« anderswo an historischen Erinnerungen und berechtigtem Zorn auslöst.
    Im Takt jedes einzelnen Wimpernschlags eines nervösen Menschen stirbt irgendwo auf der Welt ein unterernährtes Kind. Die Lebenserwartung eines Menschen in Afrika liegt
durchschnittlich
zwanzig Jahre unter der eines Deutschen. Jeder siebte Mensch auf der Welt hungert, eine Milliarde Menschen sind es insgesamt. Schon vor der Weltwirtschaftskrise mussten vierzig Prozent der Weltbevölkerung mit einem US-Dollar am Tag auskommen. Nur ein Drittel der Weltbevölkerung hat Zugang zu sanitären Einrichtungen. Das alles hat das Bürgertum in den kapitalistischen Zentren bisher nie wirklich in seinen Fundamenten erschüttert. Ablasszahlungen zu Weihnachten, nach Tsunamis und Erdbeben, bieten Ventile.
    Was droht? Mit der Verschärfung der Weltwirtschaftskrise, so fürchte ich, wird ein großer Teil der Weltbevölkerung noch härter als »überzählig« attackiert werden als bisher. Der Nutzen ist klar: Die krisengeschüttelte Menschheit soll zum Vorteil einer einflussreichen Minderheit gespalten, die Ursachen der Naturzerstörung vernebelt und der vorzeitige Tod von Millionen Menschen relativiert werden. Es soll aber auch um jeden Preis verhindert werden, dass neue soziale

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