Worum Es Geht
mit denen sie die – nicht mehr so – neuen Techniken durchsetzen, haben zwei Gesichter. Das eine lacht: Ich bin ein neues Spiel, ich verspreche Spaß! Das strenge sagt: Sei flexibel verfügbar, schnell, effizient, du fliegst sonst aus dem Rattenrennen, das immer rasender wird. Die Sklaveneigenschaften werden dadurch gezuckert, dass die Technik auch eine private nützliche Seite hat.
Aber sie beschädigt unsere Freiheit und Selbstbestimmung, indem mit ihr unsere Bewegungs- und Verhaltensmuster, unsere Konsumgewohnheiten, sozialen Kontakte und Gespräche abgefischt werden. Die kapitalistische Entwicklung der Informationsund Kommunikationstechnologie unterwirft die Menschen Schritt für Schritt einer allumfassenden Kontrolle aller Lebensbereiche.
Bank-, Scheck- und Gesundheitskarten, Handys, Satellitennavigationssysteme, E-Mails, Internet, facebook und twitter usw. usf. scheinen das Leben der Menschen in Zeiten der ansteigenden intensiven wie extensiven Ausbeutung leichter und bequemer zu machen und »schenken« den Ausgeworfenen, solange sie die Teilhabe bezahlen können, einen sinnlosen Sinn. Die oberflächliche oder tatsächliche Attraktivität der Waren verbirgt das in ihnen steckende zerstörerische Potenzial. Der Konsument macht sich selbst dumm, um konsumieren zu können. Die weltweite Diskussion über Elektrosmog ist beispielsweise am Hype über die Smartphones erstickt. Der Konsument will sich das Spielen nicht verderben lassen. Er verweigert die Aufnahme kritischer Informationen, weil er sonst sein Spielzeug nicht mehr skrupelfrei benutzen könnte. Wie zum Ausgleich interessiert er sich noch viel weniger für die Arbeitsbedingungen in den chinesischen Sonderwirtschaftszonen oder auf den Giftmüllhalden aus deutschem Elektronikschrott in Ghana.
Heute können alle alles leichter erfahren, sofern wir die richtigen Werkzeuge einsetzen. Wir können fragen: Wie viel Blut klebt an diesem lustigen Produkt, das ich in Händen halte? Von welchen Rohstoffen handelt dieser Krieg? Wir könnten wissen wollen, warum der Soldat, der aus Afghanistan oder einem anderen »Menschenrechtseinsatz« in einem Sarg heimkehrt, sich zum Töten ausbilden ließ und wie viele Menschen er tötete, bevor er starb. – Eine Gesellschaft, die sich all diese Fragen nicht stellt, ist schwerkrank.
Indem der Konsument sich darin übt, zu verdrängen, damit er ohne schlechtes Gewissen konsumieren kann, trainiert er soziale Verhaltensweisen, welche die Gesellschaft zu ihrem Nachteil verändern. Jeder Bildschirm auf einem Bahnsteig zieht des Konsumenten Aufmerksamkeit von den real existierenden Menschen neben ihm ab. Er verzichtet auf autonome Erkundungs- und Lernprozesse, weil er im Internet ja angeblich jede Auskunft »findet«, deren Qualität er aber nicht bewerten kann. Gibt es Hoffnung auf Verweigerung, Subversion? Wir werden später sehen.
Die neuen Techniken sind Kavallerien trojanischer Pferde. Versteckt unter Effizienz und Bequemlichkeit verbergen sich neue Möglichkeiten der sozialen Kontrolle und Prägung, die sich, kaum hineingelassen, im privaten und öffentlichen Leben und im Arbeitsleben der Menschen ausbreiten und einrichten: Lauschangriff in der Wohnung, Videoüberwachung im öffentlichen Raum, Kontrolle und Manipulation des Konsumverhaltens, totale Bespitzelung des Individuums durch biometrische Daten, drangsalieren politischer Meinungsäußerungen, die vom Mainstream abweichen.
Das Verdrängen und blinde Konsumieren schärft die Angst vorm Nachbarn: diffuse Bedrohungen vom Terrorangriff bis zum Taschendiebstahl schüren ein Klima, in dem die Menschen der Einschränkung ihrer Freiheit fortwährend zuzustimmen. Die Menschen werden zum bloßen gläsernen Objekt des kapitalistischen Verwertungsinteresses, kontrolliert, manipuliert, gesteuert. Ihrer Unsicherheit opfern sie die Reste ihrer Freiheit für nur noch mehr Unsicherheit und Unfreiheit.
Es geht im Kapitalismus, wie gesagt, nicht um die Herstellung von Produkten, sondern um Profit, um Geld, um die Mehrung des eingesetzten Kapitals. Dafür wird unsere Arbeitskraft ausgebeutet. Die Produkte sind nur die Mittel für diesen Zweck. Der Lohnarbeitende stellt ein Produkt her. Die Differenz zwischen dem, was er – oder sie – an Lohn bekommt und was die Kapitalistin zum Beispiel für die Maschinen aufwendet, und dem, was der Kapitalist als Preis für das Produkt erhält, ist der Mehrwert. Alles Wirtschaften im Kapitalismus, alle Beschäftigung, alle Einkommen, alle
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