Worum Es Geht
Marktprozesse sind von der erfolgreichen Mehrwertproduktion abhängig. Sie liegt dem Wachstums
zwang
im Kapitalismus zugrunde und begründet die Konkurrenz der Kapitalfraktionen untereinander. Wachstumszwang und Konkurrenz führen zu Überproduktionskrisen, die dem Kapitalismus immanent sind. Überproduktionskrisen sehen sehr unterschiedlich aus.
Kapitalismus ist auch in seinen ruhigsten Zeiten – die es ja nur um der Preis der Ignoranz der Grausamkeiten gibt, die er anderswo anrichtet – kein »Markt« und keine »Marktwirtschaft«, in der »freie« Menschen nützliche Produkte gegen Geld tauschen. Der kapitalistische Markt ist kein Gemüsemarkt, sondern die Sphäre der Realisierung des Mehrwerts, der in die Ware gesteckten Arbeit und der sonstigen Aufwendungen. Das bedeutet: Auf dem Markt geht es nur um die Rückverwandlung der Waren in mehr Geld, als zuvor in sie investiert worden ist. Der irrationale Selbstzweck der »schönen Maschine« Kapitalismus ist es, unaufhörlich Geld aufzuhäufen und als Kapital wieder in den Produktionsprozess einzubringen. Die Konkurrenz im Kapitalismus treibt die Produktivitätssteigerung durch neue Technologien voran. Die heute erreichte Produktivitätssteigerung könnte unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen den Menschen als freie Zeit zur Verfügung gestellt werden, so dass sie weniger arbeiten müssten und dennoch gut leben könnten. Aber im Kapitalismus wird dieser Produktivitätszuwachs benutzt, um Arbeitskraft überflüssig zu machen. Wozu vierzig Facharbeiter einstellen, wenn es ein Dutzend Sklavenarbeiter zu Dumpingpreisen machen oder ein Roboter noch billiger? Der einzelne Kapitalist kann sich, selbst wenn er das wollte, diesem strukturellen Zwang, die Produktivität zu steigern, nicht entziehen – außer um den Preis seines Untergangs. So sind die unaufhebbaren kapitalistischen Spielregeln.
Wir sind im sechsten Jahr dieser Weltwirtschaftskrise mit den verschiedenen Namen. Ganze Volkswirtschaften gehen zugrunde, und auch wenn sie sich wieder zu erholen scheinen, ändern sich die sozialen Strukturen der Gesellschaften drastisch und wir finden danach noch mehr Menschen dauerhaft ins Elend gestürzt als zuvor. Alle Versuche, die Krise zu bändigen, sind bisher gescheitert. Aus der letzten Weltwirtschaftskrise rettete sich der Kapitalismus in Faschismus und Weltkrieg. Welche »Lösung« wird ihm diesmal einfallen?
3
WAS DROHT
Niemand weiß, wie diese Weltwirtschaftskrise ausgehen wird. Kaum läutet ein Hohepriester der herrschenden Verhältnisse ihr Ende ein, nimmt sie ihren nächsten Anlauf. Viele Linke hofften, dass die Krise das Ende des Kapitalismus bedeutet. Tatsächlich beobachten wir, dass sie die heutige Ordnung nicht beseitigt, sondern die gesellschaftlichen Verhältnisse brutalisiert.
Lange ging es vielen Handwerkerinnen, Facharbeitern, Akademikerinnen und der technischen Intelligenz materiell gut, und sie ignorierten die grundsätzliche Zerstörungskraft des Kapitalismus. Dann platzten ihre Baudarlehen, Rentenfonds, Aktiendepots und sonstige Geldanlagen und mit ihnen ihre materielle Sicherheit, die Zukunft und die ihrer Kinder und Enkel. Plötzlich, manchmal zu ihrem eigenen Erschrecken, sehen auch sie die Welt mit anderen Augen.
Der Kapitalismus funktioniert, auch wenn er einmal keine Krise hat, immer nur in den Augen seiner Profiteure störungsfrei. Bereits sein Normalbetrieb beruht darauf, dass er Mensch und Natur verbraucht und ruiniert. Indem er jene beiden einzigen »Springquellen des Reichtums« (Marx) – die menschliche Arbeitskraft und die Naturressourcen – so profitabel wie nur möglich verwertet, zerstört er sie und beraubt sich damit tendenziell seiner eigenen Grundlage. Er versucht sich dieser Gefahr, von der er weiß, auf zweierlei Weise zu entziehen:
Erstens
indem er mit neuen Technologien der Erde noch mehr Ressourcen abpresst.
Zweitens
indem er die menschliche Arbeit bis unter die Hungergrenze verbilligt oder gleich möglichst viele Menschen durch Automation ökonomisch gänzlich überflüssig macht.
Verschiedene Kapitalfraktionen sind auf unterschiedliche Weise von der Weltwirtschaftskrise betroffen, denn sie zertrümmert Branchen, lässt Konzerne fusionieren und ganze Betriebe verschwinden. Wir werden den Kapitalismus dennoch leider nicht los, er ändert »nur« seine Gestalt. Er rüstet auf und wird mit moderneren Waffen auf uns und auf die Natur eindreschen, mit ideologischen, ökonomischen und militärischen. Er wird
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